Die Petition wurde am 1. März 2021 auf der Petitionsplattform veröffentlicht und im sechswöchigen Mitzeichnungszeitraum mit 15 Mitzeichnungen unterstützt. Da somit das in § 16 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Petitionsgesetz vorgegebene Quorum von 1.500 Mitzeichnungen nicht erreicht wurde, hat der Petitionsausschuss von der Durchführung einer öffentlichen Anhörung in der Angelegenheit abgesehen.
Bei der abschließenden Beratung der Petition hat der Petitionsausschuss sowohl die Petitionsbegründung als auch eine vom Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport vorgelegte Stellungnahme berücksichtigt.
Im Ergebnis der parlamentarischen Prüfung bleibt Folgendes festzustellen:
• Einführung eines neuen Unterrichtsfachs „Mensch, Tier, Klima“
Die Thüringer Schulen sind dem in § 2 des Thüringer Schulgesetzes (ThürSchulG) festgeschriebenen Bildungs- und Erziehungsauftrag verpflichtet. Gemäß § 2 Abs. 1 ThürSchulG erzieht die Schule u. a. zur Achtung vor dem menschlichen Leben, zur Verantwortung für die Gemeinschaft und zu einem verantwortlichen Umgang mit der Umwelt und der Natur. Sie soll das Verantwortungsgefühl für alle Menschen in der Welt wecken.
Die in der Petition genannten Themen finden sich bereits in verschiedenen Fächern der Stundentafel der einzelnen Schularten. Für die Grundschule sind die Fächer Heimat- und Sachkunde sowie Schulgarten zu nennen. In den weiterführenden Schularten sind die genannten Themen in den Fächern Mensch-Natur-Technik, Biologie, Geografie sowie in den Wahlpflichtfächern Wirtschaft-Umwelt-Europa sowie Natur und Technik (beide Regelschule, Gesamtschule) und Naturwissenschaften und Technik (Gymnasium, Gemeinschaftsschule) Gegenstand des Unterrichts.
• Thüringer Lehrpläne
Die gültigen Thüringer Lehrpläne sind standard- und kompetenzorientiert aufgebaut. Sie beschränken sich auf die Beschreibung verbindlicher zentraler fachspezifischer bzw. aufgabenfeldspezifischer Kompetenzen und die Ausweisung zentraler Inhalte. Die Ziele des Kompetenzerwerbs werden in den Lehrplänen ergebnisbezogen formuliert. Dies hat zur Folge, dass Ziele und Inhalte nicht mehr kleinschrittig dargestellt sind. Es liegt grundsätzlich in der pädagogischen Verantwortung der Lehrkraft und der Fachkonferenz der Schule, die einzelnen Themen unter Berücksichtigung aktueller Bezüge, regionaler Gegebenheiten und Schülerinteressen auszuarbeiten und so zu vermitteln, dass die Schülerinnen und Schüler anwendungsbereites Wissen erwerben können. Damit erhöhen die Lehrpläne den Freiraum und die Eigenverantwortung für die Inhaltsauswahl und ebenso die Verantwortung für Lernergebnisse und individuelle Förderung. Die schulinterne Lernplanung und Abstimmung gewinnt dabei an Bedeutung.
Durch die beschriebene Diktion ermöglichen es die gültigen Thüringer Lehrpläne, aktuelle Themen in die Gestaltung des Unterrichts einzubeziehen.
• Klimaschutz / Klimagerechtigkeit (BNE) – Bezüge
Der Petitionsausschuss bewertet das „Globale Lernen“ (GL) als einen wesentlichen Bestandteil der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE). Die „BNE“ schließt somit in Thüringen das GL ein. Die BNE hat ihren Platz nicht als zusätzlichen Inhalt oder gar als zusätzliches Fach, sondern als übergreifendes Bildungsziel. Sie ist darüber hinaus ein zentraler Bestandteil der Bildung und Erziehung, der auch faktisch im Kita- und Schulalltag in allen Einrichtungen zu integrieren ist.
Die folgenden Punkte verdeutlichen dabei die grundsätzliche Strategie der Thüringer Landesregierung zur Förderung des GL:
a. Nachhaltigkeitsstrategie des Landes
BNE ist in Thüringen als Schwerpunkt in der Nachhaltigkeitsstrategie des Landes verankert (siehe ab Seite 16 in der aktuellen Nachhaltigkeitsstrategie). Die Nachhaltigkeitspläne der Thüringer Landesregierung bilden dabei die zentrale Säule der staatlichen Umsetzung der Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie (https://bildung.thueringen.de/fileadmin/bildung/bne/2018-2020_nachhaltigkeitsplan_tmbjs.pdf). Die Landesregierung sieht sich somit bereits länger in der Verantwortung, ihr Regierungs- und Verwaltungshandeln nachhaltiger zu gestalten und dies auch öffentlich zu kommunizieren (https://bildung.thueringen.de/bildung/bne/). Die Ressorts der Landesregierung tragen die Verantwortung für die Umsetzung.
Auf dieser Grundlage wurde für das TMBJS ein Nachhaltigkeitsplan erstellt.
b. Thüringer Aktionsplan „Bildung für Nachhaltige Entwicklung - Grundsteine für weitere Entwicklungen“ (ThAp „BNE“)
Unter dem Blickwinkel „Mit Agenda 21 zur Agenda 2030“ und gemäß den Festlegungen in den Entwicklungspolitischen Leitlinien der Thüringer Landesregierung hat das TMBJS die Umset¬zung des Weltprogramms „BNE“ mit der Erarbeitung eines Thüringer Aktionsplans „Bildung für Nachhaltige Entwicklung - Grundsteine für weitere Entwicklungen“ federführend übernommen. (Beschluss des Thüringer Landtags (Drucksache 6/3201) zu der Drucksache 6/3110 - Der Beitrag Thüringens zur Umsetzung der Agenda 2030 und des Weltklimavertrags – 19.11.2019)
Dieser Thüringer Aktionsplan „BNE“ wurde gemeinsam mit dem Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) und der Landesarbeitsgemeinschaft Bildung für Nachhaltige Entwicklung (LAG BNE) erarbeitet. Der Prozess wurde partizipativ gestaltet. Das Ziel der LAG BNE als Vertreter der verschiedenen Akteure und Communities (Umweltbildung, Naturschutzbildung, Jugendbildung, Demokratieerziehung, Globales Lernen, politische Bildung, Erwachsenenbildung etc.) war es, für ein gemeinsames Verständnis für BNE zu werben bzw. dies im Dialog zu entwickeln und so im Sinne der Agenda 2030 und der Interdependenzen zwischen den 17 internationalen Nachhaltigkeitszielen eine gemeinsam getragene Perspektive zu erarbeiten.
In diesem Prozess steht der pragmatische Nutzen dieses Thüringer Aktionsplanes „BNE“ im Vordergrund. Damit wurden konkrete Lösungsansätze zur Umsetzung von BNE in den Fokus gerückt.
c. Lehr- und (pädagogische) Fachkräfteausbildung für eine nachhaltige Entwicklung
BNE steht in Thüringen im engen Zusammenhang mit Themen wie Inklusion, Demokratiebildung oder durchgängige Sprachbildung und ist integraler Bestandteil der Lehrerbildung und in allen Ausbildungsfächern in unterschiedlichen Ausbildungsformaten (Module, Projekte, Lernen am anderen Ort) verankert. Die Lehrerbildung ist den Prinzipien der Bildung für nachhaltige Entwicklung verpflichtet. (§ 2 Abs. 2 des Thüringer Lehrerbildungsgesetzes). Hierzu versteht sich, dass auch der Orientierungsrahmen für den Lernbereich „Globale Entwicklung“ angemessene Berücksichtigung findet.
Schulen werden Unterstützungsangebote unterbreitet, beispielsweise über das Thüringer Schulportal (TSP).
d. Lernort/Sozialraum, Kooperation und BNE / GL
Thüringer Schulen gestalten den Unterricht, die Erziehung und das Schulleben im Rahmen der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften eigenverantwortlich (vgl. § 40b ThürSchulG – „Eigenverantwortliche Schule und schulische Evaluation“). Die Schulen entscheiden in eigener Verantwortung, wie sie BNE und GL im Schulalltag einbeziehen und mit welchen Kooperationspartnern sie dies in der Schule und speziell im Unterricht umsetzen.
Im Ergebnis der 20-jährigen Erfahrung mit der Umsetzung ECO-School-Initiative im Freistaat Thüringen und der nationalen und internationalen Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitspolitik wollen das TMUEN, der NABU Thüringen, das TMBJS sowie das Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lernplanentwicklung und Medien (ThILLM) den Thüringer Nachhaltigkeitsschulen die Möglichkeit geben, noch konzentrierter und intensiver mit den Herausforderungen und Chancen einer nachhaltigen Entwicklung auseinanderzusetzen. Mit dem Kooperationsprojekt „Thüringer Nachhaltigkeitsschulen – Umweltschulen in Europa“ 2018 - 2020 konnten Thüringer Schulen engmaschig und kompetent betreut ihren Beitrag zur Umsetzung einer zukunftsfähigen Bildung für nachhaltige Entwicklung leisten. Die Inhalte der von den Schulen nach Maßgabe des von den Kooperationspartnern verabschiedeten Konzeptes bearbeiteten Projekte sind die Schwerpunktthemen der Thüringer Nachhaltigkeitsstrategien bzw. die ökologischen, ökonomischen und sozialen Facetten einer nachhaltigen Entwicklung in ihrem unmittelbaren Umfeld.
e. Thüringer Qualitätssiegel BNE
Mit einem Thüringer Qualitätssiegel BNE wurde die Qualitätsentwicklung in der Modellphase 2018 zum Maßstab für BNE und bringt die Wertschätzung öffentlich zum Ausdruck. Zertifiziert wurden Anbieter aller Bildungsstufen als Bildungseinrichtung, als Netzwerk oder als Einzelpersonen. Das Nachhaltigkeitszentrum Thüringen (Zukunftsfähiges Thüringen e.V.) und ein Fachbeirat haben gemeinsame Standards für Leitbilder, professionelle Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit entwickelt. Das TMBJS ist hierbei ein beratendes Mitglied innerhalb dieses Fachbeirates.
f. Strukturelle Verankerung von BNE in Lehr- und Bildungsplänen
Zentrales Dokument für die Bildung von Kindern und Jugendlichen ist der Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre als Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit für alle Bildungsorte und für alle, die im Bildungsbereich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Auch wenn der Thüringer Bildungsplan BNE und GL nicht als expliziten Bildungsbereich benennt, erfolgt in den Bildungsbereichen immer stärker eine Ausrichtung an den Prinzipien des Lernens in globalen Zusammenhängen und der nachhaltigen Entwicklung. In den Thüringer Lehrplänen werden verstärkt Anknüpfungspunkte zum Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung und den Nationalen Aktionsplan BNE verdeutlicht und diesbezüglich neue Perspektiven für Lehrende eröffnet. Bei der Aus- und Weiterbildung von Lehrenden wird dem Bereichen BNE und GL ein wichtiger Stellenwert beigemessen.
Allen Lehrplänen beigeordnet sind Leitgedanken. Diese stellen den Bezug zum Thüringer Schulgesetz her, erläutern das zugrunde liegende Bildungsverständnis und gehen dabei auf die verschiedenen Schularten ein. Sie stellen ausführlich den Kompetenzansatz dar, weisen auf die schulinterne Lehr- und Lernplanung hin und geben Hinweise zur Leistungseinschätzung. Die schulinterne Lehr- und Lernplanung bildet die Brücke zwischen Thüringer Lehrplänen und der Ausgestaltung des Unterrichts an der Schule. Die Leitgedanken weisen auf fächerübergreifendes Arbeiten hin, bei dem Schlüsselthemen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, wie Umgang mit Ressourcen, Klimaschutz, Konsum- und Lebensstile, kulturelle Vielfalt, natürliche Lebensgrundlagen und Menschenrechte angemessen zu integrieren sind.
Die Weiterentwicklung der Thüringer Lehrpläne (ab 2010) für die allgemein bildenden Schulen erfolgte nach den Prinzipien Kontinuität (Bewahrens wertes bewahren), Qualifizierung (Bisheriges besser machen), Innovation (Neues aufgreifen). Im Rahmen der Qualifizierung war unter anderem die Wertigkeit des fächerübergreifenden Themas BNE als Aufgabe aller Fächer ein Schwerpunkt der Weiterentwicklung. Somit werden seitdem noch deutlicher in den Thüringer Lehrplänen Anknüpfungspunkte zum Nationalen Aktionsplan BNE und dem Orientierungsrahmen für den Lernbereich GE verdeutlicht und diesbezüglich neue Perspektiven für Lehrende eröffnet.
g. Partizipation und BNE
Die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler am schulischen Leben sowie an der inhaltlichen und methodischen Gestaltung des Unterrichtes wurde mit dem neuen Thüringer Schulgesetz (speziell § 28 ThürSchulG – „Mitwirkung von Schülern“) weiter ausgebaut. Teilweise wird hierdurch der Prozess einer BNE-Implementierung mit vorangetrieben, beispielsweise über Aktivitäten von Schülervertretungen an Schulen oder der Einrichtung nachhaltiger Schülerfirmen.
Der Petitionsausschuss hält die Intention, die mit der Forderung verfolgt wird, für begrüßenswert. Gleichwohl wird aus den vorgenannten Ausführungen deutlich, dass in Thüringen die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen sind, die angesprochenen Kompetenzen einschließlich des erforderlichen Wissens zu vermitteln. Die Einführung des von Ihnen geforderten neuen Unterrichtsfachs ist aus Sicht des Petitionsausschusses daher nicht zwingend erforderlich.