Das Fach Wirtschaft und Recht betrifft zwei zentrale Lebensbereiche der Schülerinnen und Schüler heute und in Zukunft. Mehr als andere Unterrichtsfächer bereiten wir die jungen Menschen in vielfältiger Form auf ein Leben in der Gesellschaft vor, ein Leben als mündiger Bürger, als Arbeitskraft, als verantwortungsvoll handelnder Konsument. Um diese Dimensionen konkret abzubilden, hier ein kurzer Überblick zu den inhaltlichen Schwerpunkten im Fach Wirtschaft und Recht in den Klassenstufen 9 und 10:
- Handeln als Konsumentin und Konsument
- Handeln im Unternehmen und in der Arbeitswelt inkl. Studien- und Berufsorientierung
- Rechtlich verantwortliches Handeln
- Handeln des Staates in der Wirtschafts- und Rechtsordnung
- Regionale, nationale, internationale ökonomische Zusammenhänge
Es ist offensichtlich, dass diese Inhalte vielleicht sogar mehr noch als Inhalte anderer Schulfächer zur Allgemeinbildung zählen. Sie dienen dazu, die Jugendlichen zu einem verantwortungsvollen und selbstbestimmten Handeln heute und in Zukunft zu befähigen, um ihnen Alltagskompetenzen zu vermitteln und sie in die Lage zu versetzen, die schnell voranschreitenden Entwicklungen vor Ort und in der Welt konstruktiv zu bewältigen. Die Schülerinnen und Schüler lernen, Zusammenhänge zu verstehen, kritisch zu beurteilen und sich entsprechend als mündiger Bürger oder mündige Bürgerin proaktiv an Wandlungsprozessen zu beteiligen. Unser Fach lebt von Aktualitätsbezug und Schülerorientierung. Wir begleiten die Jugendlichen durch ihren Alltag mit Hintergrundwissen und Handlungskompetenzen. Wir befähigen sie dazu, globale Zusammenhänge zu verstehen und beurteilen zu können sowie die Komplexität politischen Handelns, v.a. im wirtschaftlichen, sozialen aber auch ökologischen Kontext zu verstehen. Der Anspruch unseres Fachs ist es, die Lernenden in die Lage zu versetzen, die Komplexität der Welt, die sich stark durch wirtschaftliche und rechtliche Zusammenhänge definiert, zu erkennen und entsprechend teilzuhaben und mitzugestalten.
Das Fach Wirtschaft und Recht setzt an Thüringer Gymnasien erst in Klasse 9 mit einer oder zwei Wochenstunden ein. Schon mit der aktuell gültigen Stundentafel ist es kaum möglich, die genannten Inhalte und Ziele in angemessener Form zu vermitteln. Häufig müssen Inhalte, die relevant im Leben der Schüler und Schülerinnen sind, gekürzt werden. Sollte die Vermittlungsphase in Klasse 10 wegfallen, wäre der Bildungsauftrag des Fachs Wirtschaft und Recht nicht erfüllbar. In Anbetracht der vielfältigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit sollte vielmehr eine Erhöhung der Stundentafel dieses wichtigen Faches diskutiert werden. Hinzu kommt, dass die Klassenstufen 9 und 10 dazu dient, die Schüler und Schülerinnen auf das Kurssystem vorzubereiten, welches wiederum auf Ausbildung und Studium vorbereiten soll. Hier ist aus unserer Sicht zu bedenken, dass wirtschaftliche und rechtliche Inhalte in einer Vielzahl von Ausbildungsberufen und Studiengängen von Relevanz sind. Wir bereiten die Jugendlichen auf diese Schlüsselbereiche der beruflichen Bildung ab Klasse 9 und dann weiterführend im Kurssystem vor. Dies fördert ihre persönliche Leistungsfähigkeit und ermöglicht ihnen einen guten Start ins Berufsleben als Fachkräfte. Schließlich ist für uns als Lehrkräfte, die täglich die Schulpraxis erleben, nicht nachvollziehbar, dass über eine Kürzung von Stunden in Fächern diskutiert wird, die ohnehin bereits jetzt nur einen geringen Raum in der Stundentafel einnehmen – trotz ihrer hohen Alltagsrelevanz, und obwohl in diesen Fächern die personelle Situation insgesamt relativ stabil ist. Gleichzeitig stehen andere Fächergruppen, in denen akuter Personalmangel herrscht und die bereits ab Klasse 5, spätestens 7 unterrichtet werden, nicht zur Diskussion. Hier sei auch der Wahlpflichtbereich in Klasse 9 und 10 zu erwähnen, welcher mit mehr Stunden ausgestattet ist, aber in Richtung Abitur keine Relevanz hat und in den Schulen oft nur stiefmütterlich umgesetzt wird/werden kann.
Wir befürchten, auch nach Befragung von Kolleginnen und Kollegen aus dem eigenen Fach und den Fächern Geographie und Sozialkunde, dass eine große Unzufriedenheit unter den Lehrkräften entstehen wird, die bis hin zur Abwanderung von Lehrkräften in andere Bundesländer führen könnte. Unter Berücksichtigung all der genannten Aspekte bitten wir eingehend darum, die aktuellen Überlegungen zu überdenken und im Sinne der jungen Menschen, der Wirtschaft und unserer Gesellschaft das Fach Wirtschaft und Recht mindestens in seinem aktuellen Umfang an Thüringer Gymnasien zu erhalten. Über einen Austausch in der Sache würden wir uns freuen.