Die Angelegenheit wurde vom Petitionsausschuss in seiner 43. Sitzung am 31. August 2023 abschließend behandelt.
Das vom Petitionsausschuss am Petitionsverfahren beteiligte Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (TMMJV) teilte zunächst zum Sachverhalt mit, die Neuverhandlung des so genannten Ballstädt-Verfahrens vor dem Landgericht Erfurt sei inzwischen mit dem am 12. Juli 2021 verkündeten Urteil abgeschlossen worden. Neun Angeklagte seien zu Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden, die jeweils zur Bewährung ausgesetzt worden seien. Diesen Angeklagten seien Bewährungsauflagen aufgegeben worden (u.a. Ableistung von 200 bzw. 300 Arbeitsstunden bzw. Geldzahlungen zwischen 2.000,- und 3.000,- Euro). Bereits zuvor sei das Verfahren gegen zwei weitere Angeklagte gemäß § 153a StPO (vorläufig) gegen Zahlung von 6.000,- bzw. 3.000,- Euro an die Staatskasse eingestellt worden.
Die Neuverhandlung sei notwendig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof ein erstes Urteil des Landgerichts Erfurt vom Mai 2017 auf die Revision der Angeklagten hin Anfang 2020 wegen materieller Fehler in der Beweiswürdigung aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Erfurt zurückverwiesen habe. Damals habe das Landgericht die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zehn Fällen zu Freiheitsstrafen mit und auch ohne Bewährung verurteilt.
Nach der Verfassung sei die Rechtsprechung den Gerichten anvertraut, die in ihren Entscheidungen unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen seien. Die Unabhängigkeit der Gerichte diene dem Schutz der Justiz vor Eingriffen durch andere staatliche Stellen und damit allen Bürgerinnen und Bürgern. Schon der Anschein des Versuchs einer Einflussnahme auf gerichtliche Verfahren – sei es auch mittelbar über Weisungen an die Staatsanwaltschaft – sei für das Vertrauen in die gebotene Unvoreingenommenheit und Neutralität der Justiz insgesamt schädlich. Der Vorgänger im Amt des Thüringer Ministers für Migration, Justiz und Verbraucherschutz habe deshalb mit Bekanntmachung vom 18. November 2016 Leitlinien zur Ausübung des ministeriellen Weisungsrechts veröffentlicht (JMBl. für Thüringen 2017 Nr. 1 S. 23), die eine politische Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaften ausschließen. Auch der amtierende Minister für Justiz in Thüringen habe sich an diese Selbstverpflichtung gehalten.
Entsprechend sei ein Einschreiten des für Justiz zuständigen Ministers nicht in Betracht gekommen. Die verfassungsrechtlich geschützte Unabhängigkeit der Rechtsprechung sei auch dann zu achten, wenn eine Straftat in der Bevölkerung Empörung und Abscheu hervorrufe. Das Handeln der Staatsanwaltschaft sei in jedem Verfahrensstadium frei von Rechtsfehlern und sachgerecht gewesen.
Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass die Regierungsparteien in Thüringen in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart hätten, eine Bunderatsinitiative auf den Weg zu bringen, die die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften gegenüber dem für Justiz zuständigen Ministerium stärkt. Thüringen habe daraufhin im Herbst 2020 den im TMMJV erarbeiteten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften in den Bundesrat eingebracht (Bundesratsdrucksache 644/20).
Der Petitionsausschuss hat die Petition zunächst in seiner 20. Sitzung am 9. September 2021 beraten. Im Ergebnis der Beratung beschloss der Petitionsausschuss, den fachlich zuständigen Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz (AfMJV) um Mitberatung der Petition zu ersuchen und die Weiterberatung der Petition zu vertagen.
Nachdem die Petentinnen im Januar 2022 einen Antrag auf Veröffentlichung Ihrer Petition auf der Petitionsplattform gestellt haben, wurde die Petition am 24. Januar 2022 dort veröffentlicht. Während des sechswöchigen Mitzeichnungszeitraums wurde die Petition durch 1.700 digitale Mitzeichnungen unterstützt. Darüber hinaus gingen dem Petitionsausschuss weitere 977 Mit-zeichnungen auf Unterschriftslisten zu. Da somit das in § 16 Abs. 1 Satz 2 ThürPetG vorgegebene Quorum von 1.500 Mitzeichnungen erfüllt wurde, beschloss der Petitionsausschuss, die Initiatorinnen unter Hinzuziehung des mitberatenden AfMJV am 30. Juni 2022 in der 30. Sitzung des Petitionsausschusses öffentlich anzuhören.
Nach der Durchführung der Anhörung wurde die Mitberatung im AfMJV fortgesetzt. Dieser hat die Petition schließlich am 30. Juni 2023 abschließend beraten und dem Petitionsausschuss empfohlen, die Petition gemäß § 17 Nr. 4 ThürPetG an den Bundestag weiterzuleiten.
Im Rahmen der abschließenden Beratung der Petition in seiner 43. Sitzung am 31. August 2023 bedankte sich der Petitionsausschuss für das Engagement der Petentinnen. Gleichzeitig konstatierte er, dass eine gleichförmige Lösung vergleichbarer Fälle wohl nur durch eine Gesetzesänderung auf Bundesebene in Betracht kommt. Damit nahm er auf die in der öffentlichen Anhörung zur Petition gegebenen Anregung Bezug, ggf. die Rechte der Nebenklage im Rahmen einer Verständigung nach § 257c StPO zu stärken. Vor diesem Hintergrund beschloss der Petitionsausschuss, die Petition gemäß § 17 Nr. 4 ThürPetG an den Bundestag weiterzuleiten und diesem das Protokoll der am 30. Juni 2022 durchgeführten öffentlichen Anhörung zu übermitteln.
Mit dem Beschluss des Petitionsausschusses ist das Petitionsverfahren abgeschlossen.