Extremwetterereignisse wie Starkregen, so im Erfurter Osten 2013 und 2014, und extreme Trockenheit sind dramatisch spürbare Folgen der Klimaveränderung. Sie stehen in enger Beziehung und erfordern deutlich stärkeres Handeln! Darum richtet sich die Petition an die Politik-Verantwortlichen, unverzüglich Strukturen für ein wirksames Starkregenrisikomanagement zu schaffen, inklusive der Bereitstellung der diesbezüglich erforderlichen finanziellen Mittel, ehe es z.B. konkret im Erfurter Osten zu spät ist.
In den vergangenen 11 Jahren haben sich die Strukturen zur Etablierung eines SRRM in Erfurt verschlechtert statt verbessert! Das zeigt sich konkret an der bisherigen Nicht-Umsetzung (erst 3 von 19 prioritären Maßnahmen) des Hochwasserschutzkonzeptes ‚Linderbach‘, kurz „HWSK“: in 2015 erarbeitet und 2016 vom Erfurter Stadtrat beschlossen, Gewässer 2. Ordnung mit bislang nur teilweise ausgewiesenen Überschwemmungsgebieten (ÜSG) einbeziehend.
HWSK-Anlass waren jene zwei Starkregenereignisse in 2013 und 2014, was sich auch in der HWSK-Fassung des beauftragten Ingenieurbüros (FUGRO Consult GmbH, Nordhausen) vom 23.07./18.08.2015 erwartungsgemäß zeigte. Ungeklärt ist bis heute, warum die Fassung jedoch seitens der Stadtverwaltung Erfurt in veränderter Form dem Stadtrat zum Beschluss vorgelegt wurde (DS 2879/15), worauf seinerzeit bereits – leider ohne Erfolg – aufmerksam gemacht wurde. Der Stadtrats-Beschluss erfolgte dennoch, vermutlich auch deshalb, weil in jener DS 2879/15, Seite 4, skandalöserweise suggeriert worden war, dass „mit Ausnahme von redaktionellen Änderungen“ nichts der „Inhalte und Aussagen“ geändert worden sei.
Dies erwies sich als falsch. Und die Chance bzw. Notwendigkeit einer starkregenanlassbezogenen HWSK-Umsetzung wurde bis heute vertan bzw. verhindert. Die unerklärte Veränderung verschob den Akzent von der Starkregen-Spezifik hin zur allgemein bekannteren (Fluss-)Hochwasser-Thematik, auch das HWSK-Ziel betreffend. Die fatale Akzentverschiebung kann synoptisch im Vergleich der Fassungen an mehreren Stellen nachgewiesen werden. Zur Verdeutlichung dienen die folgenden zwei Beispiele:
In der HWSK-Fassung von FUGRO vom 23.07./18.08.2015 war auf Seite 11 gleich im ersten Satz unter der Überschrift „1 Veranlassung“ zu lesen: „Im Einzugsgebiet des Linderbaches kam es in der Vergangenheit durch lokale Starkniederschläge wiederholt zu Ausuferungen …“
In der angeblich inhaltlich unveränderten Fassung vom 04.12.2015 ist stattdessen im ersten Satz (S. 12) zu lesen: „Im Einzugsgebiet des Linderbaches kam es in der Vergangenheit zu mehreren Hochwasserereignissen …“
Oder auf Seite 227 war in o.g. Fassung von FUGRO noch zu lesen: „Die Möglichkeit des Schutzes vor Starkniederschlagsereignissen durch den Rückhalt wurde analysiert und hydraulisch nachgewiesen.“
Dieser Satz fehlt in der „unveränderten“ Fassung, stattdessen ist dort auf S. 232, wie bereits auf S. 182 nahezu gleichlautend und dazu noch fett markiert unter „Grundlage“ (!) nachträglich eingefügt zu lesen: „Dabei wurde die Planung so durchgeführt, dass die zum Schutz vor einem HQ100 identifizierten Maßnahmen auch ohne Umsetzung der Maßnahmen zum Schutz vor Starkniederschlagsereignissen ihre Gültigkeiten behalten.“
Der Verdacht wird nun seit fast 10 Jahren bis heute verstärkt, dass die bisher kaum erfolgte HWSK-Umsetzung durch jene Fokusverschiebung maßgeblich verursacht wurde, was das Vertrauen von Starkregen-Betroffenen und -Bedrohten in politisches Handeln erschüttert, den Respekt ihnen gegenüber und die Relevanz der Starkregen-Spezifik vermissen lässt und nicht zuletzt auch die Frage der Effizienz der finanziellen Kosten stellt, die für ein in so unverantwortlicher Weise verändertes HWSK „verpulvert“ wurden!
Wohl wissend, dass im Thüringer Landesprogramm Hochwasserschutz der Starkregenbezug bereits besser erkennbar ist, neuerdings Info-Tage geplant sind und der Wasserwehraufbau startet: Mit dieser Petition wird eine Struktur gefordert, die den Fokus auch für die kommunale Ebene endlich konkret auf ein neues Schutzziel „Schutz vor Starkregen“ richtet. Der Umgang mit Starkregenereignissen, wie z.B. auch die „Ahrtal-Ereignisse 2021“, erfordern andere Strukturen als den HQ100-Kontext (z.B. „Elbe-Hochwasser 2002/2013“ betreffend).
Die Landesregierung möge darum die derzeit noch fehlenden Grundlagen für ein kommunal wirksames SRRM schaffen, was nicht nur im Erfurter Osten dringend notwendig ist.
Damit sind u.a. sowohl nach §§ 72-78 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) der Begriff Überschwemmungsgebiet (kurz: ÜSG) unter Einbeziehung von Starkregengefahrenkarten als auch die Aufgabe der bzw. des Gewässerunterhaltungsverbandes (hier: Gera/Gramme) schnellstmöglich im Blick auf SRRM-Verantwortlichkeiten neu zu beschreiben, die ÜSG-Linien zu verändern, also neue ÜSG’s auszuweisen, und die Folgen entsprechend umzusetzen.
Außerdem muss das SRRM nicht nur bei der Wasserwehr-Struktur, sondern auch in der Stadtplanung und -entwicklung fest verankert werden, um künftig Schaden zu minimieren und alles zu tun, um den Gewässern mehr Raum und Versickerungsmöglichkeiten zu geben, also naturbasierte Lösungen im urbanen Bereich zu priorisieren.
Das seit 01.07.2024 inkraftgetretene Klimaanpassungsgesetz (KAnG) unterstreicht nachdrücklich die mit dieser Petition formulierte Forderung nach zu etablierenden SRRM-Strukturen.
Konkret zum Erfurter Osten: Besonders in den Bereichen der Oberläufe, die (noch) nicht zum ausgewiesenen ÜSG gehören und wo 7 der 11 starkregenschutzrelevantesten jener 19 priorisierten Konzeptmaßnahmen von 2015 liegen, sollten diese durch die hiermit geforderte SRRM-Struktur endlich realisiert werden, um lebensbedrohliche Gefahren künftiger Sturzfluten zu minimieren.
Der herausfordernden Querschnittsaufgabe ist sich zu stellen: Die Zusammenarbeit und Koordinierung von Land, Gewässerunterhaltungsverband (GUV) und Kommune sowie aller SRRM-Akteure sind zu etablieren bzw. entschieden nachzubessern und in eine verantwortliche, transparente Struktur einzubinden und, wie anderenorts bereits geschehen, schnellstens seitens der Politik mit Klärung der Verantwortlichkeiten und der dazu notwendigen Ressourcen auf den Weg zu bringen, z.B. durch die Struktur eines „Regionalen Starkregenschutz-Netzwerks“. Als zwei Beispiele von Kommunen, die sich dem notwendigen Thema strukturell bereits wesentlich besser widmen, seien hier genannt:
- das Pilotprojekt „Stark gegen Starkregen“ der Stadt Unna mit dem „Lippeverband“ (seit 2014) sowie
- die ämterübergreifende Zusammenarbeit in der Stadtverwaltung Gütersloh, die beim ZKA-Spotlight am 18.09.2024 eindrücklich vom dort aktiven Klimaanpassungsmanager online vorgestellt worden ist.
Jede und jeder, die bzw. der durch heftige Starkregenereignisse wie im Erfurter Osten 2013 und 2014 persönlich selbst betroffen war oder Bilder, Berichte wahrgenommen hat, will dies gewiss nie erleben.
Die Dringlichkeit, eine Struktur zu schaffen und Maßnahmen umzusetzen, also zu handeln, wird zusätzlich verstärkt, wenn auf die besonders hohe Starkregengefährdung Erfurts (Starkregengefährdungsklasse 3 – hohe Gefährdung) seitens des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) hingewiesen wird: Platz 6 in Deutschland bei der „Aufteilung der Adressen der 50 einwohnerstärksten Städte in die Starkregengefährdungsklassen …