Vorbemerkung:
Das Bundesverfassungsgericht hat zur Frage einer verfassungskonformen Ausgestaltung der Besoldung verschiedene Grundsatzentscheidungen getroffen (BVerfG, Urt. v. 5. Mai 2015 – 2 BvL 17/09 – u. Beschl. v. 17. November 2015 – 2 BvL 19/09 u.a.). Hier wird die Besoldung des jeweiligen Landes mit verschiedenen Parametern verglichen (Verbraucherpreisentwicklung, Nominallohnentwicklung, Tarifentwicklung im ö. D., Abstand zwischen den Besoldungsgruppen sowie Vergleich mit der Besoldung anderer Länder und des Bundes). Die Vermutung einer verfassungswidrigen Besoldung liegt jedenfalls dann vor, wenn drei der fünf Prüfparameter verletzt sind. Soweit „nur“ zwei der fünf Parameter verletzt sind und die Verletzung erheblich ist, wäre dies ebenfalls für die Vermutung einer verfassungswidrigen Unteralimentation ausreichend (BVerwG, Beschl. v. 22. September 2017 – 2 C 6/17 – u.a. sowie Beschl. v. 30. Oktober 2018 – 2 C 32.17 -).
Hierneben ist das Abstandsgebot zum sozialhilferechtlichen Existenzminimum zu beachten. Das bedeutet, dass die Nettoalimentation in der untersten Besoldungsgruppe einen Mindestabstand zum Grundsicherungsniveau aufweisen muss. Dieser Mindestabstand beträgt 15 % (absolute Besoldungsuntergrenze).
Des Weiteren wurde durch das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 1998 in einem Grundsatzbeschluss entschieden, dass der Familienzuschlag ab dem 3. Kind im Vergleich zum 2. Kind = 15 % über dem Grundsicherungsbedarf liegen muss (BVerfG, Beschl. v. 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 -).
Der Gesetzgeber ist verpflichtet, fortlaufend zu prüfen, ob die o.a. verfassungsrechtlichen Vorgaben (Art. 33 Abs. 5 GG) bzgl. einer amtsangemessenen Alimentation (noch) erfüllt werden (BVerfG, Urt. v. 14. Februar 2012 – 2 BvL 4/10 – sowie Beschl. v. 16. Oktober 2018 – 2 BvL 2/17-).
Im Einzelnen:
Da die statistischen Vergleichswerte für das Jahr 2018 noch nicht vollständig vorliegen, wurde das Jahr 2017 geprüft. Hiernach ergibt sich eine Verletzung von mindestens zwei Prüfparametern. Beispielsweise ergibt sich für die Besoldungsgruppen A 10 bis A13 im Vergleich zu den Verdiensten mit der Privatwirtschaft (Nominallohn) eine Abweichung von 17,84 % und zu den Verdiensten im ö. D. (Tarifentwicklung) eine Abweichung von 8,53 %. Nach den o.a. Entscheidungen des BVerwG und des BVerfG ist insoweit eine verfassungswidrige Unteralimentation anzunehmen. Hingewiesen wird darauf, dass im Zeitraum 2008 bis 2015 regelmäßig drei der fünf Prüfparameter in verfassungsrechtlich relevanter Form verletzt waren.
Entsprechend der Verfahrensweise des BVerwG in seinen o.a. Entscheidungen wurde die absolute Besoldungsuntergrenze ebenfalls geprüft und festgestellt, dass diese in verfassungsrechtlich relevanter Form verletzt wurde. Der Abstand zum Grundsicherungsbedarf wurde bspw. im Jahr 2017 nicht eingehalten und mit 3 bis 4 % unterschritten. Die noch in der LT-Drs. 6/3797 hierzu gemachten Ausführungen, wonach der erforderliche Abstand zum Grundsicherungsniveau eingehalten sei, sind im Lichte der o.a. Bundesverwaltungsgerichtsentscheidungen als unzutreffend anzusehen. Auch aktuell (2019) wird die absolute Besoldungsgrenze wieder unterschritten. Auch in der Vergangenheit - Zeitraum: 2008 bis 2017 - wurde bis auf das Jahr 2015 die absolute Besoldungsuntergrenze fortlaufend und in verfassungsrechtlich relevanter Form verletzt. Zu einem vergleichbaren Sachverhalt im Land Niedersachsen führte der Vorsitzende Richter des 2. Senates des BVerwG , Ulf Domgörgen, erst kürzlich aus: „Wir haben in erschreckender Weise festgestellt, dass das Grundsicherungsniveau in all den Jahren nicht erreicht wurde. “ Er verglich das Grundsicherungsniveau mit dem Grundwasserspiegel. „Wird dieser angehoben, hat das auch Auswirkungen auf alle folgenden Stufen.“
Der Familienzuschlag ab dem 3. Kind wird, unter Zugrundelegung des Beschlusses des BVerfG v. 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 –, ebenfalls in verfassungsrechtlich relevanter Weise verletzt. Im Ergebnis unterschreitet im Jahr 2018 der Familienzuschlag ab dem 3. Kind für alle Besoldungsgruppen der A-Besoldung den Grundsicherungsbedarf für das 3. Kind. Die Differenz beträgt je nach Besoldungsgruppe bis zu ~ 70 EUR/Monat (netto). Nichts anderes würde sich ergeben, wenn das geänderte Sozialrecht und die hierzu ergangenen Bewertungen zum sozialhilferechtlichen Mindestabstandsgebot durch das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt würden (BVerwGE v. 22. September 2017 – 2 C 6/17 – u.a. sowie v. 30. Oktober 2018 – 2 C 32.17 -).
Verfassungsrechtliche Gründe zur möglichen Rechtfertigung einer verfassungswidrigen Unteralimentation (Art. 109 Abs. 3 Satz 2 GG) sind in Anbetracht eines Haushaltsüberschusses 2017 in Höhe von ~ 917 MIO. EUR zu verneinen.
Eine fortlaufende und für Dritte nachvollziehbare Prüfung der o.a. und anzunehmenden Verfassungsverstöße ist nicht erfolgt, was seinerseits ebenfalls als Verfassungsverstoß zu werten ist (BVerfG, Beschl. v. 16. Oktober 2018 – 2 BvL 2/17-). Hinzu kommt, dass im Rahmen der Darstellungen zu den o.a. Prüfparametern unter der LT-Drs. 6/3797 lediglich Zahlwerte in den Raum gestellt wurden; eine Herleitung jedoch unterblieben ist. Unbeschadet dessen wurden die Zahlenwerte geprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die o.a. Entscheidungen des BVerfG nicht oder nur ungenügend berücksichtigt wurden. So wurde zum Beispiel bei dem Prüfparameter „Tarifentwicklung ö. D.“ ein anderer Indexwert zugrunde gelegt, als der welcher vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17. November 2015 – 2 BvL 19/09 u.a. zur Besoldung im Freistaat Sachsen verwendet wurde. Dies ist unter Berücksichtigung einer gleichmäßigen Tarifentwicklung nach dem TV-L unverständlich und als ergebnisorientierte und damit willkürliche Betrachtung/ Herangehensweise anzusehen.