Im Rahmen des Petitionsverfahrens wurde die Thüringer Landesregierung beteiligt und um eine Stellungnahme gebeten. Die entsprechenden Ausführungen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) hat der Petitionsausschuss in seine Beschlussfassung einbezogen.
Im Ergebnis seiner Beratung weist der Petitionsausschuss auf Folgendes hin:
Die Forderung geht dahin, dass der Träger der Fachschülerin/dem Fachschüler eine (Ausbildungs-)Vergütung mindestens analog zum TVAÖD-Besonderer Teil Pflege zahlt. Hierzu ist anzumerken, dass Sozialversicherungspflicht besteht. Die Fortzahlung der Vergütung sowie eine gegebenenfalls notwendige Freistellung, auch für die im Rahmen der Ausbildung vorgesehenen Praktikumszeiten (mind. sechs Wochen) in Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung (gemäß § 29 bis 35 SGB VIII), sind durch den Ausbildungsträger zu gewährleisten. Verpflichtungen aus dem AusbiIdungs-/Arbeitsvertrag wie die Zahlung der Ausbildungs-vergütung bei notwendiger Verlängerung der Ausbildung nach Unterbrechung durch Krankheit, Beschäftigungsverbote und Erziehungszeiten u. ä. bleiben hiervon unberührt.
Die Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher erfolgt in Thüringen nach der Thüringer Fachschulordnung für den Fachbereich Sozialwesen (ThürFSO-SW) vom 29. Januar 2016.
Gemäß § 3 ThürFSO-SW kann die Ausbildung in Vollzeitform mit überwiegend fachtheoretischem Unterricht in den ersten fünf Ausbildungshalbjahren und abschließender berufspraktischer Ausbildung in Blockform im letzten Ausbildungshalbjahr (konsekutive Ausbildungsform) oder mit durchgängig abwechselnden Unterrichts- und Praxisphasen im Rahmen eines Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisses (praxisintegrierte Ausbildungsform) durchgeführt werden.
Während der konsekutiven Ausbildungsform wird der schulische Teil der Ausbildung gegebenenfalls über BAföG für Schülerinnen und Schüler oder das Aufstiegs-BAföG (AFBG) gefördert, wenn die individuellen Förderbedingungen erfüllt sind.
Förderbar nach dem AFBG sind Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung (z.B. auch Kinderpflegerinnen/Kinderpfleger oder Sozialassistentinnen/Sozialassistenten), ohne Erstaus-bildungsabschluss (z.B. mit abgebrochenem Studium oder Abitur), aber mit der erforderlichen Berufspraxis für die Ausbildung. Diese Art der Vergütung ist mit den Vergütungsbeträgen in der PiA-Ausbildung (Praxisintegrierte Ausbildung, s.u.) vergleichbar. Für vollschulische Aufstiegsfortbildungen (Fachschulen) ist im Koalitionsvertrag die formulierte Idee des "Lebenschancen-BAföG" formuliert, welche dazu führen soll, alle Bestandteile, die notwendigerweise zum Abschluss der Aufstiegsfortbildung erforderlich sind, als förderfähige Bestandteile zu betrachten. So müssten künftig auch unvergütete Praxisanteile und Teilzeitfortbildungen gefördert werden können.
Eine finanzielle Unterstützung ist somit grundsätzlich möglich und insbesondere im Rahmen des Aufstiegs-BAföG attraktiv. In Thüringen wird das letzte halbe Jahr einer Ausbildung in Vollzeit- oder berufsbegleitender Form als Berufspraktikum geführt. Die Refinanzierung einer entsprechenden Praktikumsvergütung in Kindertageseinrichtungen ist für diesen Zeitraum in § 28 ThürKigaG geregelt.
Mit Einführung der praxisintegrierten Ausbildung im Schuljahr 2019/2020 in Thüringen wurde die Möglichkeit einer vergüteten Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher geschaffen. Gestartet wurde diese Ausbildungsform 2019 mit dem Modellprojekt „Praxisintegrierte Ausbildung in Thüringen (PiA-TH)“. Dieses befindet sich nun im vierten Jahr der Förderung, zuerst im Rahmen der Fachkräfteoffensive des Bundes sowie mit einer Ko-Finanzierung durch den Freistaat Thüringen. Seit Schuljahr 2020/2021 wird das Modellprojekt mangels weiterer Finanzierungszusage des Bundes aus Mitteln des Thüringer Landeshaushalts bestritten. Das Land erstattet den Trägern für die drei Ausbildungsjahre die Vergütung der Fachschülerinnen und Fachschüler. Zudem werden Zuschüsse für die Praxisanleitung gewährt und Qualifizierungen für Mentorinnen und Mentoren ermöglicht. Neben der Teilnahme der Praxiseinrichtungen am Förderprogramm steht es jedem potenziellen Träger der praktischen Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher frei, Auszubildende in der praxisintegrierten Ausbildungsform mit Ausbildungs- oder Arbeitsvertrag in der Einrichtung aufzunehmen. In diesem Fall ist eine Vergütung für die Auszubildenden gesichert.
Die praxisintegrierte Ausbildung dauert ebenfalls insgesamt drei Jahre. PiA-Fachschülerinnen und -Fachschüler sind in der Regel zwei Tage in der Woche in einer sozialpädagogischen Einrichtung tätig und besuchen drei Tage die Fachschule. Es muss ein entsprechender Ausbildungs- bzw. Arbeitsvertrag mit einem Träger der praktischen Ausbildung geschlossen werden, wobei während der gesamten Ausbildungszeit ein sozialversicherungspflichtiges Ausbildungs- bzw. Arbeitsverhältnis besteht. Während der kompletten Ausbildungsdauer wird eine Vergütung gezahlt.
Nach aktueller Rechtslage ist die Förderung beruflicher Weiterbildung in Form einer Umschulung über einen Bildungsgutschein der Agentur für Arbeit/des Jobcenters nur über zwei Drittel der Zeit möglich, sofern die Finanzierung des dritten Drittels durch bundes- oder landesrechtliche Regelungen sichergestellt ist.
Um arbeitsmarktgerechte Angebote in Mangelberufen, wie dem der Erzieherin bzw. des Erziehers, anbieten zu können, ist das im Entwurf des Bürgergeldgesetzes vorgesehene Absehen vom grundsätzlichen Verkürzungsgebot von berufsabschlussbezogenen Weiterbildungen im Vergleich zur Dauer einer Berufsausbildung gefordert.
Durch eine vollständige Förderung über die gesamte Ausbildungsdauer können nun auch Bildungsgänge einbezogen werden, die nicht verkürzbar sind und die ihrer Struktur nach bislang nicht förderfähig waren. Somit könnten ab 2023 Umschulungen beispielsweise in der Fachschule Sozialpädagogik oder Heilerziehungspflege gefördert werden, ohne dass hierfür grundsätzlich die Struktur der Ausbildung geändert werden müsste.
Ergänzend ist zu erwähnen, dass die Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände und die Gewerkschaft ver.di in 2021 ein Eckpunktepapier zur Neugestaltung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung vorgelegt haben. In diesem wird die Überführung in das duale System der Berufsausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz vorgeschlagen.
Hierbei wird eine Reihe von Forderungen erhoben, die auch im bewährten dualen System der Berufsausbildung bisher nicht existent sind. Das Eckpunktepapier ist wenig schlüssig, da es viele Forderungen enthält, die als nicht realisierbar einzustufen sind. Insbesondere die Frage der Finanzierung der beabsichtigten Ausbildungsvergütung wie auch der weiteren Kosten für die zu schaffenden und unterhaltenden Organisationsstrukturen sind nicht geklärt. Hier wird nur gefordert, dass die Ausbildungskosten der Träger über eine Refinanzierung abgedeckt werden sollen. In Anbetracht der vielfältigen ungeklärten Fragen zur Umsetzung der Eckpunkte ist eine Realisierung wenig erfolgversprechend. Zudem ist vollkommen unklar, ob eine derartige Systemänderung überhaupt zu der angestrebten gesteigerten Nachfrage führt, um den Fachkräftebedarf zu decken.
Mit den vorgenannten Informationen hat der Petitionsausschuss die Petition abgeschlossen.