Im Rahmen des Petitionsverfahrens hat der Petitionsausschuss die Thüringer Landesregierung beteiligt und um eine Stellungnahme gebeten. Die entsprechenden Ausführungen des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie hat der Petitionsausschuss in seine Beschlussfassung einbezogen.
Nach fachlicher und rechtlicher Prüfung teilte das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Folgendes mit:
Den Empfehlungen des Landestierschutzbeirats Baden-Württemberg beim Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum zur Regulierung der Taubenpopulation in Städten vom 11. Juli 2005 sind hierzu sinngemäß die folgenden Aussagen zu entnehmen:
Tauben sind als Kulturfolger regelmäßige Bewohner unserer Städte. Die Populationen erhalten sich selbst durch ganzjährig stattfindende Vermehrung. Ein weiterer, auch bei geplanten Regulierungsmaßnahmen zu beachtender Faktor kann der Zuzug von verirrten Haustauben sein. Über den Anteil dieser Tiere am Stadttaubenbestand liegen allerdings keine gesicherten Erkenntnisse vor. Natürliche Feinde hat die sogenannte „Stadttaube“ in ihrem Lebensraum nicht. Das gehäufte Vorkommen von Tauben, insbesondere in größeren Städten, führt regelmäßig zu Konflikten zwischen Taubenliebhaberinnen/Taubenliebhabern und Personen, die aus verschiedenen Gründen die Stadttauben eher als Schädlinge betrachten.
Die Kommunen haben somit zu entscheiden, ob sie in die vorhandene Population eingreifen sollen und welche Maßnahmen ggf. zu einer tierschutzgerechten Reduzierung des Taubenbestandes geeignet sind.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass jedes systematische Eingreifen in den Taubenbestand mit erheblichem Aufwand hinsichtlich der Lösung fachlicher Fragen sowie der Kommunikation und Zusammenarbeit mit Interessengruppen und berührten Stellen und ggf. erheblichen Kosten verbunden ist. Deshalb ist zunächst die Frage zu beantworten, ob ein solches Eingreifen tatsächlich erforderlich ist.
Unabhängig von der oben genannten Quelle können zudem folgende Angaben gemacht werden: Wird eine Taube gemäß § 965 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als sogenanntes „Fundtier“ eingestuft (Fundtiere sind verlorene und entlaufene Tiere, die nicht offensichtlich herrenlos sind und von einer Person aufgegriffen wurden, welche nicht zuvor Eigentümer des Tieres war.), so liegt die Zuständigkeit für die Finanzierung von beispielsweise Versorgung oder Unterbringung bei der Gemeinde im übertragenen Wirkungskreis.
Die staatliche Veterinärverwaltung überwacht die Einhaltung der Tierschutzvorschriften.
Zunächst muss also immer die nicht ganz einfache Einstufung des Einzeltieres als Fundtier bzw. herrenloses Tier stehen. Erst dann kann festgestellt werden, welche Zuständigkeiten sich hieraus ergeben. Dies kann nur durch eine Zusammenarbeit der lokalen Vollzugsbehörden und ggf. mit der Unterstützung von Tierschutzvereinen gelingen.
Auch der Artikel 20 a des Grundgesetzes (Staatszielbestimmung Tierschutz), auf welchen das mit der Petition übermittelte Gutachten verweist, ist hier nicht direkt einschlägig. Denn dieser richtet sich in erster Linie an den Normengeber, dem zur Konkretisierung ein weiter Gestaltungsspielraum belassen ist, ohne ihn auf bestimmte, zur Erreichung des Staatsziels heranzuziehende Mittel, festzulegen. Die Gesetzgebungskompetenz für den Tierschutz liegt gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 20, 72 Abs. 1 Grundgesetz beim Bund.
Auch hebt das genannte Gutachten nicht darauf ab, dass ein Fütterungsverbot von Stadttauben generell als rechtswidrig einzustufen wäre, sondern aus Sicht des Verfassers nur unter der Voraussetzung der Existenz von betreuten Taubenhäusern rechtskonform und sinnvoll erscheint. Zusätzlich erläutert das Rechtsgutachten die potentiellen Zuständigkeiten, sofern es sich um Fund- und herrenlose Tiere handelt, ausschließlich für die Stadt Berlin.
Insofern kann, auch auf Grundlage der obigen Ausführungen und in diesen Grenzen, der Aussage zugestimmt werden, das hinsichtlich der Überwachung der Tierschutzgesetzgebung in Bezug auf diese Tiere sowie im Falle der Feststellung, dass es sich um Fundtiere handelt, durchaus die Zuständigkeiten der lokalen Veterinärüberwachungs- bzw. Kommunalbehörden berührt sein können.
Unabhängig von der rechtlich problematischen Einordnung hält das Land Thüringen bereits aktuell Fördergelder für investive Projekte des Tierschutzes bereit. Diese werden anhand der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von investiven Maßnahmen des Tierschutzes in Thüringen vergeben. Besagte Richtlinie war bis zum 31. Dezember 2023 befristet. Es ist vorgesehen, diese Fördermöglichkeit anhand einer Neufassung der Verwaltungsvorschrift zu erhalten.
Mit der Förderung im Rahmen dieser Richtlinie soll ein Beitrag zum Tierschutz im Hinblick auf eine qualitative und quantitative Unterbringung insbesondere von herrenlosen, gemäß Tierschutzgesetz (TierSchG) eingezogenen oder weggenommenen, Tieren sowie unter amtlicher Beobachtung stehenden Tieren und Fundtieren in Thüringen geleistet werden.
Im Vergleich zum nunmehr auslaufenden Richtlinientext soll ab dem Jahr 2024 neben den Tierheimen, tierheimähnlichen Einrichtungen und tiergärtnerischen Einrichtungen, welche die genannten Tierarten aufnehmen und versorgen, eine Möglichkeit zur Beantragung von Fördergeldern geschaffen werden. Dabei können Mittel für Errichtung, Erweiterung, Einrichtung und Instandsetzung der genannten Einrichtungen, die zur Schaffung und Verbesserung der räumlichen Unterbringung der oben genannten Tierkategorien oder dem Transport dieser Tiere im Rahmen des Betreibens einer solchen Einrichtung dienen, beantragt werden.
Die Zuwendungen für die benannten Zwecke werden an gemeinnützige Trägerinnen und Träger oder an Gemeinden und Landkreise, die Träger dieser Einrichtungen sind, gewährt. Insofern ist bereits vorgesehen, eine Möglichkeit zur Unterstützung solcher Traubenhausprojekte, wie sie in der Petition der Sache nach beschrieben werden, zu schaffen.
Zudem existieren in Thüringen durchaus bereits erfolgreiche vereinsgeführte Projekte, welche nach dem Modell betreuter Taubenschläge diese Tiere versorgen. So wurden beispielsweise die Städte Erfurt und Jena im Jahr 2023 mit dem Thüringer Tierschutzpreis vom Land geehrt. Diese Vereine kümmern sich neben der Versorgung und Unterbringung der Stadttauben und auch um die Aufklärung der Bevölkerung zu diesen Tieren.
Hinsichtlich eines Fütterungsverbotes von Stadttauben hat das Ministerium den Hinweis gegeben, dass Kommunen durch ordnungsbehördliche Verordnung, insbesondere zur Verhütung von Gefahren für das Eigentum und zum Schutz der öffentlichen Reinlichkeit, das Füttern verwilderter Tauben auf öffentlichen Straßen und Plätzen verbieten können. Ermächtigungsgrundlage ist § 44 Abs. 1, 2 Nr. 2 Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG -) vom 18. Juni 1993. Vom Regelungsgehalt des § 44 OBG sind ausschließlich verwilderte Tauben, also Haustauben, welche nicht oder nicht mehr von Menschen gehalten werden und somit keine Haustiere sind, erfasst.
Dem Schutzzweck der Norm liegt zugrunde, dass verwilderte Tauben ansteckende Krankheiten und Parasiten (bspw. Taubenzecken, Taubenflöhe, Rote Vogelmilben) übertragen und ihre Exkremente Gebäude, u.a. Hausfassaden, Dachabdeckungen, Dachrinnen, parkende Fahrzeuge und Grabmale, beschädigen und zerstören.
Ein ordnungsbehördliches Fütterungsverbot soll dazu beitragen, ein durch übertriebene Fütterung ausgelöstes übermäßiges Brutverhalten der Tauben einzuschränken und eine Taubenüberpopulation zu vermeiden. Fachwissenschaftlichen Erkenntnissen zu Folge handelt es sich dabei um das wirksamste und mildeste tierschutzkonforme Mittel.
Verstöße gegen ein etwaiges Fütterungsverbot können – soweit die jeweilige ordnungsbehördliche Verordnung auf § 50 OBG verweist – als Ordnungswidrigkeit mit Geldbuße geahndet werden. Soweit Vorschriften des Natur- und Tierschutzrechts § 44 OBG entgegenstehen, ist dieser unanwendbar, § 44 Abs. 3 OBG.
Der Petitionsausschuss hat die Petition nach eingehender Beratung gemäß § 17 Nr. 2 b) Thüringer Petitionsgesetz mit diesen Informationen abgeschlossen.