Der Gemeinsame Bundesausschuss ist nach eigener Darstellung „das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland. Er bestimmt in Form von Richtlinien den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für mehr als 70 Millionen Versicherte und legt damit fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von der GKV erstattet werden. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für den ambulanten und stationären Bereich des Gesundheitswesens".
In der Neonatolgie (Neugeborenenmedizin) wird unterschieden zwischen Perinatalzentrum Level 1, Perinatalzentrum Level 2, Perinatalem Schwerpunkt und der Geburtsklinik. Das SRH Zentralklinikum in Suhl verfügt über einen neonatologischen Schwerpunkt und kann als Perinatalzentrum der Stufe Level 1 auch Frühgeborene mit höchstem Risiko (Geburtsgewicht < 1250 Gramm) versorgen. Perinatalzentren der Stufe 2 versorgen Kinder mit hohem Risiko (Geburtsgewicht 1250 bis 1500 Gramm).
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat am 17.12.2020 mit der QS-Richtlinie für Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) die Erhöhung einer Mindestmenge beschlossen, über die Fachleute in den vergangenen Jahren immer wieder gestritten haben: Die Mindestmenge für extrem kleine Frühgeborene (<1250 Gramm Geburtsgewicht) wird ab dem 01.01.2021 von 14 für das Jahr 2022 auf 20 Frühgeborene für das Jahr 2023 und 25 Frühgeborene ab dem Jahr 2024 pro Jahr und Klinik steigen. Den Kliniken wird eine Übergangsfrist von drei Jahren eingeräumt, die am 01.01.2023 abläuft. Die Zeit drängt.
Die Mindestmengenregelung (Mm-R) schreibt ein Mindestmaß an Erfahrung für einige komplexe Operationen und Behandlungen im Krankenhaus vor. Sie legt fest, wie häufig eine Klinik einen Eingriff oder eine Therapie pro Jahr mindestens durchführen muss, damit sie diese Behandlungen anbieten darf und auch von den Krankenkassen erstattet bekommt. Für extrem unreife Frühgeborene mit einem Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm gilt seit 2010 eine Mindestmenge von 14 Fällen pro Jahr und Klinik.
Die Neuregelung würde dazu führen, dass das Perinatalzentrum in Suhl mit ca. 15 Fällen pro Jahr seine erfolgreiche Arbeit im Level-1-Bereich nicht fortsetzen könnte, und sich auf Behandlungen im Rahmen eines Perinatalzentrums Level 2 beschränken müsste, was aufgrund der geringen Geburtenzahlen in diesem Bereich durch das Klinikum wirtschaftlich nicht dazustellen ist. Dies würde die Versorgung von sehr kleinen, aber auch reifen kranken Neugeborenen in ganz Südthüringen akut gefährden. Die nächsten Level-1-Perinatalzentren befinden sich in Erfurt und Jena in Thüringen, Würzburg in Bayern und Fulda in Hessen. Das Level-1-Perinatalzentrum in Coburg ist aufgrund der neuen Mm-R ebenfalls bedroht. Die Wege zu einer Notfallversorgung würden sich auf mindestens mehr als eine Stunde verlängern, was gerade in kritischen Situationen lebensbedrohlich würde.
Die Schließung der Level-1-Versorgung am Standort Suhl hätte ebenfalls weitreichende Folgen für die Versorgung von Risikoschwangeren und kritisch kranken Neugeborenen in der Region und würde die vielfältige und im Ausbau befindliche Versorgung am Kinderzentrum Südthüringen im SRH Zentralklinikum in Suhl nachhaltig gefährden. Die mit dem Betrieb eines Perinatalzentrums Level 1 und der Vorhaltung entsprechend notwendigen Strukturen (Kinderchirurgische Klinik, Sozialpädiatrisches Zentrum, Neugeborenen-Notarzt etc.) verbundene Versorgungssituation würde im Falle eines Wegfalls des Level 1 Perinatalzentrums auch zu einer deutlichen Einschränkung der übrigen spezialisierten Versorgung von Kindern und Jugendlichen in der Region Südthüringen führen.
Die Gesetzeslage laut SGB V ermöglicht, dass die zuständige Landesbehörden Ausnahmeregelungen von dieser Mm-R beschließen können. Die Thüringer
Landesregierung soll dazu aufgefordert werden, von dieser Regelung im Interesse einer sicheren Versorgung für Früh- und Neugeborene und damit auch für alle Kinder und Jugendlichen sowie deren Familien in Südthüringen Gebrauch zu machen. Zudem muss nachgewiesen werden, dass es für Risikoschwangere und kranke Früh- und Neugeborene zu keiner Verlängerung der Fahrzeiten zu einer spezialisierten Versorgungseinrichtung kommt. Es muss ebenso nachgewiesen werden, dass die in den sog. neuen Bundesländern bereits abgeschlossene Zentralisierung und Stufung der Perinatalmedizin keine nachteiligen Auswirkungen durch Umsetzung der Mm-R erfährt. Das bedeutet, dass die im Bundesvergleich exzellente Neugeborenen- und frühe Säuglingssterblichkeit in diesen Regionen nicht gefährdet wird. Ebenso muss nachgewiesen werden, dass die verbliebenen Zentren den ebenfalls gültigen Qualitätsanforderungen gem. QF-RL i.S. einer kontinuierlichen Erfüllung der Strukturvorgaben (u.a. Zahl und Qualifikation der Pflegekräfte, Zahl und Qualifikation der ärztlichen Mitarbeiter) bereits jetzt und auch bei Zunahme der dann zu versorgenden Patienten zu jeder Zeit Folge leisten. Sollte dies nicht zutreffen, kann nicht von einer qualitätssichernden Maßnahme durch die aktuell gültige Mm-R des G-BA ausgegangen werden.
17 Perinatalzentren Level 1 gibt es in den fünf sog. neuen Bundesländern ohne Berlin. Mehr als 150 im Rest der Republik. Die Studie „Säuglingssterblichkeit in Deutschland nach 1990" von Dr. Felix zur Nieden für das Statistische Bundesamt konstatiert: „In den letzten 20 Jahren hat sich dann bei beiden Geschlechtern eine niedrigere Säuglingssterblichkeit in den neuen Ländern im Vergleich zum früheren Bundesgebiet herausgebildet." Die Landschaft der Perinatalzentren ist aus unserer Sicht in den neuen Ländern ausreichend konsolidiert und bei hoher Qualität äußerst funktionell. Alle Zentren in Thüringen müssen erhalten bleiben.