Der Petitionsausschuss hat die Petition abschließend behandelt.
Das vom Petitionsausschuss am Petitionsverfahren beteiligte Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) hat in seiner Stellungnahme grundsätzlich festgestellt, dass für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von unter 1.250 Gramm eine Mindestmenge an Geburten vom gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt wurde. In der Mindestmengenregelung gemäß § 136 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V ist eine Mindestmenge von 25 Geburten pro Jahr festgeschrieben. Nach dieser gesetzlichen Regelung hat ein Krankenhaus, welches bei prospektiver Betrachtung die jährliche Mindestmenge nicht erreicht, kein Recht, die entsprechende Leistung zu erbringen.
Mindestmengen sind grundsätzlich zwingend, aber § 136 b Abs. 5 a SGB V erlaubt der für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörde, Leistungen aus dem Mindestmengenkatalog zu bestimmen, bei denen die Anwendung des Verbotes der Leistungserbringung und -abrechnung die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte. Im Jahr 2022 hat das SRH Zentralklinikum Suhl einen Ausnahmeantrag gemäß § 136 b Abs. 5 a SGB V auf Nichtanwendung des § 136 b Abs. 5 SGB V bei der Krankenhausplanungsbehörde eingereicht. Es bestanden seitens der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen in Thüringen gemäß § 136 b Abs. 5 Satz 6 SGB V keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der standortbezogenen Prognose zur Erfüllung der Mindestmengenzahl im Jahr 2023 für die Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von unter 1.250 Gramm. Das bedeutete, dass das Perinatalzentrum in Suhl im Jahr 2023 - wie auch bisher - das volle Leistungsspektrum der neonatologischen Versorgung erbringen und abrechnen durfte.
Die Landesregierung hatte zu diesem Zeitpunkt zugesagt, dass sie im Interesse der dauerhaften Sicherung der flächendeckenden Versorgung in der Perinatalmedizin, angesichts der zum 1. Januar 2024 erneut steigenden Mindestmenge, frühzeitig in einem Gesprächsprozess mit allen Beteiligten eintreten wird. Hier sollten Kriterien für eine flächendeckende und zugleich in höchst möglicher Qualität erfolgende Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von unter 1.250 Gramm aufgestellt werden. Dies sollte auch länderübergreifend geschehen, da ähnliche Problematiken auch beim Coburger Klinikum in Bayern bestehen.
Der Petitionsausschuss hat am 1. Dezember 2022 beschlossen, den Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung zur Petition um Mitberatung zu ersuchen. Aufgrund des erheblichen öffentlichen Interesses hat der Petitionsausschuss weiterhin beschlossen, am 19. Januar 2023 eine öffentliche Anhörung zu der Petition durchzuführen. Das Protokoll der Anhörung ist öffentlich einsehbar.
Der Ausschuss für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung hat sich nach Beratung der Petition für eine Anhörung des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der AOK Plus für Sachsen und Thüringen, des Verbandes der Ersatzkassen in Thüringen (VdEK) und den Leiter des Fachbereiches Neonatologie/Pädiatrische Intensivmedizin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden ausgesprochen.
Der Petitionsausschuss hat daraufhin in seiner 39. Sitzung am 11. Mai 2023 beschlossen, zur Petition eine Anhörung von Sachverständigen durchzuführen und hat Sachverständige eingeladen, um die der Petition zu Grunde liegende Problematik im Rahmen einer nichtöffentlichen mündlichen Anhörung zu beraten.
Im Ergebnis der Anhörung wurde festgestellt, dass durch die gegenwärtige Mindestmenge für die Versorgung der Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von unter 1.250 Gramm eine wesentliche Verbesserung der Ergebnisqualität insbesondere durch eine verminderte Sterblichkeit der in die Mindestmengen einbezogenen Früh- und Reifgeborenen zu erwarten sei.
Auch im Hinblick auf die damit für die Versorgung einhergehenden Zentralisierungswirkungen, unter Berücksichtigung der Qualitätssicherungsrichtlinie für Früh- und Reifgeborene (QFR-RL) konformen Personalausstattung an den in der Versorgung verbleibenden Standorten und in Bezug auf die potenziellen Transport- und Verlegungsrisiken durch Fahrzeit- und Wegstreckenverlängerungen sei dies zu berücksichtigen.
In den Beratungen wurde weiter festgestellt, dass Mindestmengen ein unverzichtbares Element der Qualitätssicherung bei besonders komplexen Interventionen seien und der Schutz des Lebens und der Gesundheit absoluten Vorrang habe.
Im Rahmen der abschließenden Beratung zur Petition wurde u.a. darauf hingewiesen, dass mit Schreiben vom 4. Oktober 2023 dem SRH Zentralklinikum Suhl mitgeteilt wurde, dass gemäß § 136 b Abs. 5 Satz 6 SGB V keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der standortbezogenen Prognose zur Erfüllung der Mindestmengenfallzahl im Jahr 2024 auch für den Leistungsbereich „Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit einem Aufnahmegewicht von unter 1.250 Gramm“ bestehen. Damit ist das Perinatalzentrum Level I in Suhl auch für das Jahr 2024 gesichert.
Im Petitionsausschuss wurde festgestellt, dass das SRH Zentralklinikum Suhl ein wichtiger Standort für die Perinatalversorgung sei. Für den weiteren Erhalt wären gegebenenfalls Kooperationen mit anderen Kliniken zu prüfen. Die Abgeordneten des Petitionsausschusses baten die Landesregierung um Informationen, inwieweit es Erkenntnisse gibt, wie die Kliniken mit Level II- und Level III-Zentren gestärkt werden könnten. Hierzu wurde durch die Landesregierung im Nachgang zur abschließenden Behandlung im Petitionsausschuss mitgeteilt, dass es derzeit keine konkreten Befassungen des G-BA zum Thema Stärkung der Perinatalzentren Level II und III gibt. Allerdings habe es Veränderungen in bestehenden Vorgaben für die Perinatalzentren gegeben. So ist die Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen mit zwei Beschlüssen vom 19. Oktober 2023 angepasst worden.
Der G-BA hat für Perinatalzentren damit die Laufzeit des klärenden Dialogs und die Frist bis zum Erfüllen der dabei individuell vereinbarten Ziele bis zum 31. Dezember 2024 verlängert. Es wurde darauf hingewiesen, dass ursprünglich die Frist bereits Ende 2023 auslaufen sollte.
Die Landesregierung informierte den Petitionsausschuss weiter darüber, dass die Übergangsregelung zum Erfassen der Strukturabfrage bei den Einrichtungen der Versorgungsstufen I bis III auch für das Erfassungsjahr 2023 angewendet wird. Entsprechende Anpassungen habe der G-BA an der Qualitätssicherungs-Richtlinie Früh- und Reifgeborene vorgenommen. Er habe zudem bei der Zusammenarbeit zwischen zwei Standorten klargestellt, dass derjenige mit einer neonatologischen Intensivstation sicherstellen muss, dass der Kooperationspartner alle Anforderungen an die Geburtshilfe nach dieser Richtlinie erfüllt. Diese Änderungen sollten mit Wirkung zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Änderungen gebe es auch in der Dokumentation zum Leistungsbereich der Perinatalmedizin, die sich aus Anpassungen der Richtlinie zur datengestützten einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung ergeben. In den verschiedenen redaktionellen Anpassungen soll ab dem Erfassungsjahr 2023 im Rahmen der QFR-RL auch festgehalten werden, ob früh- und reifgeborene Kinder bei einer Verlegung in eine Einrichtung bereits an einer moderaten oder schweren Bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) erkrankt waren oder ob diese erst in der aktuellen Einrichtung entstand bzw. erstmalig diagnostiziert wurde. Bei Kindern, bei denen eine moderate oder schwere BPD bereits bei Aufnahme vorlag, soll diese Erkrankung nicht in den Auswertungen zur QFR-RL berücksichtigt werden. Diese Änderungen der Richtlinien treten am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Der Petitionsausschuss hat im Ergebnis der Beratungen festgestellt, dass dem Anliegen gemäß § 17 Nr. 3 Thüringer Petitionsgesetz teilweise abgeholfen werden konnte.