Nach dem Opferentschädigungsgesetz kann derjenige, der durch eine Gewalttat einen gesundheitlichen Schaden erlitten hat, Versorgung erhalten. Mit der Petition wurde die Ausgestaltung der Antragsformulare, die Kommunikation der Behörden mit Antragsteller*innen, die medizinische Begutachtung im Rahmen des Antragsverfahrens, die Bearbeitungsdauer der Anträge auf Opferentschädigung und die Entscheidungspraxis als verbesserungswürdig kritisiert. Vor diesem Hintergrund wurde weiterhin die Etablierung einer externen, unabhängigen Monitoringstelle zur Überprüfung des Opferentschädigungsverfahrens in Thüringen sowie einer ebenso unabhängigen Beschwerdestelle für Gewaltopfer gefordert.
Das vom Petitionsausschuss am Petitionsverfahren beteiligte Thüringer Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) hat ausführlich zu der Petition Stellung genommen. Zusammengefasst teilte das TMASGFF mit, dass die in der Petition zusammengetragenen Daten teilweise missverständlich seien. Es sei fraglich, ob man einfach die erfolgten Anerkennungen auf der Grundlage des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) ins Verhältnis zur Anzahl der Gewaltdelikte laut polizeilicher Kriminalstatistik für Thüringen setzen könne. Nicht alle Gewaltdelikte gingen auf Seiten der Opfer mit so erheblichen Schäden einher, dass diese überhaupt eine Antragstellung nach dem OEG in Betracht zögen. Im Übrigen würde das Informationsangebot zum Opferentschädigungsverfahren seitens des Ministeriums als gut eingeschätzt. Die angeregte Monitoringstelle führe auf Seiten der Versorgungsbehörden zu Mehraufwand in Form von Stellungnahmen und statistischen Angaben. Diese Mehrarbeit drohe zu Lasten der eigentlichen Kernaufgaben, nämlich die Auseinandersetzung mit den Anträgen der Opfer, zu gehen.
Weiterhin verweist das Ministerium darauf, dass die Antragsteller neben den üblichen Rechtsbehelfen sich beispielsweise auch an den Thüringer Bürgerbeauftragten oder den Petitionsausschuss bei Problemen im Antragsverfahren wenden könnten. Insofern sei auch die Einrichtung einer zusätzlichen Beschwerdestelle kritisch zu bewerten.
Für Opfer von Gewaltstraftaten stehe das Landesverwaltungsamt als kompetenter Ansprechpartner bei Fragen zur Opferentschädigung zur Verfügung. So führe eine Internetrecherche mit den Suchbegriffen „Thüringen Opfer Gewalttat“ unmittelbar zur entsprechenden Informationsseite des Landesverwaltungsamtes.
Weiterhin teilte das Ministerium mit, im Zusammenhang mit dem vollständigen In-Kraft-Treten des 14. Buches Sozialgesetzbuch – soziale Entschädigung - (SGB XIV) zum 1. Januar 2024 werde es – in Bezug auf die Information, Aufklärung und Unterstützung der Betroffenen ebenso wie beim Leistungsbezug – künftig zahlreiche wesentliche Verbesserungen geben. Das neue SGB XIV werde zum 1. Januar 2024 das bisherige hoch komplexe und unübersichtliche Bundesversorgungsgesetz (BVG), das OEG und weitere bundesgesetzliche Regelungen vollständig ablösen. Das alte System sei von den Betroffenen tatsächlich oftmals als nicht schnell genug wirkend empfunden worden. Auch seien die vorherigen Entschädigungen häufig als unzureichend bewertet worden. Viele Opfer fühlten sich deshalb alleingelassen und als nicht adäquat betreut. Ziel des neuen sozialen Entschädigungsrechts (SER) sei es deshalb, künftig allen Opfern von Gewalttaten schnell und unkompliziert Hilfen zukommen zu lassen. Das Antragsverfahren werde vereinfacht. Zudem würden „schnelle Hilfen“ im System verankert, für die ein „erleichtertes Verfahren“ gelte. In diesem Zuge werde die Anspruchsberechtigung der Antragsteller noch einer summarischen Prüfung unterzogen.
Abschließend hat das TMASGFF darauf hingewiesen, den zuständigen Landesbehörden sei bewusst, dass der Umgang von Opfern von Gewalttaten mit den Hilfesystemen immer wieder auch Frustrationen verursachen könne. Dies werde jedoch nicht durch die Schaffung neuer ineffizienter und im schlimmsten Fall verwirrender Doppelstrukturen zu vermeiden sein, sondern vielmehr durch nachhaltige Bemühungen zur Optimierung der bestehenden Systeme. Der nächste Schritt auf diesem Weg sei die Einführung des SGB XIV zum 1. Januar 2024 und die Etablierung der damit verbundenen Verbesserungen für Opfer von Gewalttaten.
Im Ergebnis der Beratung der Petition stellte der Petitionsausschuss fest, dass die Opferentschädigung eine wichtige staatliche Aufgabe darstellt. Er war sich jedoch unsicher, ob eine Monitoringstelle oder eine Beschwerdestelle tatsächlich zu signifikanten Verbesserungen im System führen würden. In Thüringen steht mit dem Thüringer Bürgerbeauftragten bereits eine neutrale Stelle zur Verfügung, die auch Opfern von Gewalttaten bei ihrem Austausch mit den zuständigen Behörden mit Rat und Tat und darüber hinaus auch als Vermittler zur Verfügung stehen kann. Auch im parlamentarischen Petitionsverfahren können konkrete Probleme und Beschwerdefälle behandelt werden.
Im Ergebnis bedankte sich der Petitionsausschuss für die mit der Petition gegebenen Anregungen. Weitere Informationen zur Opferentschädigung erhalten Betroffene auf den Internet-Seiten des Landesverwaltungsamtes unter https://landesverwaltungsamt.thueringen.de/soziales/soziale-entschaedigung/opfer-von-gewalttaten.