Im Rahmen des Petitionsverfahrens wurde die Thüringer Landesregierung beteiligt und um eine Stellungnahme gebeten. Die entsprechenden Ausführungen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) hat der Petitionsausschuss in seine Beschlussfassung einbezogen.
Im Ergebnis der parlamentarischen Prüfung bleibt nunmehr Folgendes festzustellen:
Bereich Kindertageseinrichtungen
Die Frage der Erhebung und/oder des Erlasses von Elternbeiträgen ist zunächst eine Angelegenheit, welche vor Ort auf der kommunalen Ebene oder Ebene des jeweiligen Trägers zu regeln ist. Direkte Einfluss- oder Einwirkungsmöglichkeiten des Landes jenseits einer mit den §§ 30, 30a, 30b ThürKigaG (Beitragsfreiheit) vergleichbaren gesetzlichen Regelung bestehen nicht.
Für Elternbeiträge dürfte bei einer temporären Einrichtungsschließung oder Herabsetzung der Betreuungszeiten aufgrund des geringen Kostendeckungsgrades der Elternbeiträge zunächst eine Zahlungspflicht weiterhin bestehen.
Diese wäre allerdings regelmäßig dann zu verneinen, wenn die Einrichtung über einen vollen Kalendermonat geschlossen und keine Inanspruchnahme einer Kindertagesbetreuung möglich war. Allerdings kann vor Ort überlegt werden, ob bei einer temporären Schließung zumindest teilweise auf die Erhebung von Elternbeiträgen verzichtet oder bei der Herabsetzung der Betreuungszeiten auf die nächst niedrigere Gebührenstufe zurückgegriffen wird.
Bereich Hort
Die bisherigen Rechtsgrundlagen für eine Erstattung der Elternbeteiligung an den Kosten für die Hortbetreuung sind in den §§ 12a, 12b des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen (ThürSchFG) geregelt. § 12a ThürSchFG galt für den Zeitraum von Schul- und somit auch Schulhortschließungen vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020, § 12b ThürSchFG für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2021. Die Erstattungsregelung des § 12b ThürSchFG, welche für die Monate November und Dezember 2021 noch Geltung beanspruchten, wird jedoch dem Begehren einer anteilsmäßigen Erstattung entsprechend den jeweiligen Einschränkungen des Betreuungsumfangs nicht gerecht. Danach war eine Erstattung der Elternbeteiligung seitens der kommunalen Schulträger pandemiebedingt bis zum 31. Dezember 2021 möglich
- bei Schulschließungen einschließlich des Schulhorts durch oder aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Regelungen
- für Kalendermonate, in denen die Schulen an mehr als 15 Kalendertage geschlossen waren.
Für die Zeit ab dem 1. Januar 2022 fehlt insgesamt eine Rechtsgrundlage für eine (anteilige) Erstattung der Elternbeteiligung. Ob auch für das Haushaltsjahr 2022 eine vergleichbare Erstattungsregelung vorgesehen ist, obliegt dem Thüringer Landtag als Gesetzgeber. Bis zu einer gesetzgeberischen Entscheidung werden die Eltern aufgrund des § 2 Abs. 1 Satz 2 ThürSchFG in Verbindung mit der ThürHortkBVO (sowie der entsprechenden kommunalen Satzungen) an den Kosten der Hortbetreuung beteiligt, sofern das Kind zum freiwilligen Besuch eines Schulhorts angemeldet ist (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 ThürHortkBVO).
Vor dem Hintergrund der Haushaltslage des Freistaats Thüringen erscheint eine solche Erstattungsregelung auch als nicht umsetzbar.
Aus rechtlicher Sicht ist eine solche Erstattungsregelung auch nicht erforderlich, selbst wenn die Forderung der Eltern nachvollziehbar ist. Grundsätzlich ist eine Erhebung der Elternbeteiligung auf der Grundlage der Thüringer Hortkostenbeteiligungsverordnung (sowie der entsprechenden kommunalen Satzungen) in voller Höhe trotz pandemiebedingt eingeschränktem Angebot bzw. Schließung rechtlich möglich, soweit kein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt.
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen, welche zudem durch die bisher einschlägige Rechtsprechung bestätigt wurden:
- Es handelt sich bei der Elternbeteiligung um einen Monatsbetrag, der unabhängig von der Inanspruchnahme des Betreuungsangebots nach § 1 Abs. 1 Satz 2 ThürHortkBVO im Voraus fällig wird, wobei für den Monat Juli keine Elternbeteiligung erhoben wird.
- Äquivalenzprinzip und Abgabengerechtigkeit sind aus rechtsstaatlichen Gründen zu berücksichtigen (Art. 3 Abs. 1 GG, Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). Ein Verstoß gegen diese Grundsätze liegt erst dann vor, wenn das Entgelt die anteilmäßigen rechnerischen Kosten der staatlichen Leistung erheblich übersteigt. Das Äquivalenzprinzip ist somit erst verletzt, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Das bedeutet, dass selbst bei einer Schlechtleistung oder vorübergehenden Nichtleistung kein grobes Missverhältnis begründet wird, soweit tatsächlich ein Betreuungsangebot einschließlich der Bereitstellung von Räumlichkeiten und pädagogischen Personal den Eltern zur Verfügung gestellt wird.
- Auch wenn die Höhe der Elternbeteiligung nach der Thüringer Hortkostenbeteiligungsverordnung eine Kalkulationsgrundlage von einem Betreuungsanspruch von 20 Stunden pro Woche zugrunde legt, können rechtmäßige Bescheide hinsichtlich einer Elternbeteiligung in voller Höhe für einen durchschnittlichen Betreuungsumfang von täglich 6 bis 8 Stunden erlassen werden, da im Hortbereich angesichts der Infektionsschutzmaßnahmen (kleinere und feste Gruppen; Personaleinsatz weniger flexibel; zusätzlicher Reinigungs- und Desinfektionsaufwand in den Schulgebäuden) keine Kosteneinsparungen im Personal- und Sachaufwand zu erwarten sind.
Des Weiteren bestehen aufgrund der aktuellen haushälterischen Situation keine finanziellen Spielräume, um dem angesprochenen Anliegen genügen zu können. Zum einen sind im aktuel-len Landeshaushalt für das Haushaltsjahr 2022 keine neuen Haushaltsmittel für entsprechende Ausgleichsleistungen im Hinblick auf eine ganze oder teilweise Übernahme von Elternbeiträgen aufgrund der Corona-Pandemie vorgesehen. Zum anderen bestehen hierfür derzeit auch keine finanziellen Spielräume, da seitens des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport aufgrund einer Entscheidung des Thüringer Landtages ein großer Teil der sogenannten „Globa-len Minderausgabe“ in Höhe von 330 Millionen Euro durch zusätzliche Ausgabenkürzungen im Haushaltplan des Ministeriums erwirtschaftet werden müssen (rund 74 Millionen Euro im Haus-haltsjahr 2022). Hinzu kommen weitere und derzeit noch nicht quantifizierbare Ausgabebedarfe im Jahr 2022 aufgrund der Fluchtbewegungen aus der Ukraine.
Mit den vorgenannten Informationen hat der Petitionsausschuss die Petition abgeschlossen.