Im Rahmen des Petitionsverfahrens wurde die Thüringer Landesregierung beteiligt und um eine Stellungnahme gebeten. Die entsprechenden Ausführungen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) hat der Petitionsausschuss in seine Beschlussfassung einbezogen.
Der Petitionsausschuss vertritt die Auffassung, dass die Leistungseinschätzung in der Schule eine wichtige pädagogische Funktion hat. Formen der Selbsteinschätzung und regelmäßige Rückmeldungen durch Lehrkräfte, Mitschülerinnen und Mitschüler zu den Leistungen ermöglichen es den Lernenden eigene Lernfortschritte zu erkennen und nächste Ziele ihrer Kompetenzentwicklung anzustreben.
Die Leistungsrückmeldungen dienen der Transparenz, der Motivation und der Entwicklung von Selbstwirksamkeit und Leistungswillen. Sie berücksichtigen dabei besonders die individuelle Bezugsnorm, um Schülerinnen und Schülern Lernfortschritte und nächste Lern- und Entwicklungsziele zu verdeutlichen. Diese pädagogische Funktion der Leistungseinschätzung ist von zentraler Bedeutung für das erfolgreiche schulische Lernen und die individuelle Förderung und Kompetenzentwicklung der Schülerinnen und Schüler.
Die Leistungsbewertung mit Noten ist ein Bestandteil der Leistungseinschätzung und erfolgt anhand der kriterialen Bezugsnorm. Grundlagen dafür sind die Ziele der Kompetenzentwicklung in den Thüringer Lehrplänen und die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz. Die Leistungsbewertung mit Noten spielt eine Rolle bei Versetzungs- und Schullaufbahnentscheidungen sowie beim Erwerb von Schulabschlüssen. Damit hat sie auch eine selektive Funktion. Laut Thüringer Schulgesetz erfolgt die Leistungsbewertung mit Noten anhand transparenter Bewertungskriterien und dient als Grundlage für die Beratung der Lernenden und ihrer Eltern.
Fragen der Leistungseinschätzung in verschiedenen Formen und der Leistungsbewertung anhand von Noten sind seit Langem Gegenstand einer Grundsatzdiskussion.
Die Entwicklungen der vergangenen Jahre zielen auch in Thüringen auf eine Stärkung der pädagogischen Funktion der Leistungseinschätzung und der individuellen Förderung als Grundprinzip des Lehrens und Lernens ab.
Versetzungsentscheidungen werden nicht mehr am Ende jedes Schuljahres getroffen. In bestimmten Klassenstufen und Schularten können Noten durch verbale Leistungseinschätzungen oder Punktesysteme ergänzt oder ersetzt werden.
Eine allgemeine Bewertung erfolgt z. B. in der Schuleingangsphase oder für Schülerinnen und Schüler im Bildungsgang individuelle Lebensbewältigung. Der Ersatz von Noten durch eine allgemeine Bewertung ist bis zur Klassenstufe 7 in Thüringer Gemeinschaftsschulen oder auch in weiteren Klassenstufen in Schulen mit einem bewährten reformpädagogischen Konzept möglich. In diesen Fällen sind alle Fächer eingeschlossen. Die Schulgesetzgebung ermöglicht Notenaussetzungen in ausgewählten Fächern ausschließlich für einzelne Schülerinnen und Schüler unter bestimmten Bedingungen. Der Verzicht auf die Notengebung bedeutet nicht, dass auf Leistungsanforderungen verzichtet wird.
Mit der Petition wird der Annahme widersprochen, es handele sich im Fach Musik um eine „Talentbenotung“. Es wird beschrieben, dass der Entwicklung musikalischer Kompetenzen das Prinzip eines aufbauenden Musikunterrichts zugrunde liege, Üben und Trainieren notwendig seien und Begabungen, wie in allen anderen Fächern auch, vorliegen und gefördert werden könnten. In der Schule gehe es um Breitenbildung, zu welcher Sport, Musik, Kunst, Darstellen und Gestalten als wichtige allgemein bildende Fächer unverzichtbar gehören.
Diesbezüglich ist Folgendes anzumerken:
Die Fächer Sport, Kunst, Musik und Darstellen und Gestalten sind fest in den Stundentafeln der Thüringer Schulordnung für die allgemein bildenden Thüringer Schulen verankert.
Wichtige Grundlage des Unterrichts in diesen Fächern sind die kompetenzorientierten Thüringer Lehrpläne, in denen u. a. Aussagen zur spezifischen Bedeutung und zu besonderen Potentialen des jeweiligen Faches getroffen sowie anspruchsvolle und fachspezifische Zielen der Kompetenzentwicklung formuliert werden.
Laut Fachlehrplänen Musik für die weiterführenden Schulen in Thüringen liegen der Entwicklung musikalischer Kompetenzen die Prinzipien eines aufbauenden Musikunterrichts zugrunde.
Weiterhin wird im Lehrplan ausgesagt, dass Musik ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Kultur und eine Form menschlicher Kommunikation ist. Die Auseinandersetzung mit Musik dient u. a. der Entwicklung des kulturellen Selbstverständnisses der Lernenden, dem zielgerichteten Umgang mit Medien und berufs- bzw. studienwahlvorbereitenden Impulsen.
Diese Lehrplanaussagen verdeutlichen, dass der Musikunterricht ein fester Bestandteil der schulischen Allgemeinbildung ist. In den jeweiligen Fachlehrplänen für Sport, Kunst und Darstellen und Gestalten erfolgen vergleichbare Aussagen.
Fächer wie Sport, Musik und Kunst sind einerseits fester Bestandteil der schulischen Allgemeinbildung, andererseits eröffnen sie Möglichkeiten zum Entdecken und Entfalten von Interessen und Begabungen. Das wird in diesen Bereichen besonders deutlich wahrgenommen, weil ausgewählte sportliche, musikalische oder künstlerische Leistungen, auch medial bedingt, eine hohe gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren. Die Wirksamkeit von Neigungen, Interessen und Begabungen, deren Förderung und Entfaltung trifft auf alle anderen Fächer des Fächerkanons der allgemein bildenden Schulen in Thüringen ebenso zu.
Soweit die Befürchtung geäußert wird, dass ein Fach in dem auf Noten verzichtet wird, selbst als verzichtbar empfunden wird, ist diese Befürchtung aufgrund der tradierten Rolle der Notengebung in der Schule nachvollziehbar. Die Diskussionen und Entwicklungen im pädagogischen Kontext sollten deshalb alle Fächer gleichermaßen berücksichtigen. Der Forderung nach Gleichbehandlung aller Fächer kann an dieser Stelle gefolgt werden. Die rechtlichen Grundlagen in Thüringen entsprechen dem.
Mit den vorgenannten Informationen hat der Petitionsausschuss die Petition abgeschlossen.