Im Artikel 2, Absatz 2, Grundgesetz ist verbindlich formuliert: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“
Artikel 2 Grundgesetz verpflichtet den Staat, das Vorsorgeprinzip in der Gesundheits- und Umweltpolitik durchzusetzen. Dies wird z.B. bei der Feinstaub- und Stickoxidbelastung vom Gesetzgeber sehr ernst genommen.
Völlig anders stellt sich die Situation in Bezug auf von Windenergieanlagen erzeugten Infra-schall dar. Hier gibt es zum Teil erhebliche Wissenslücken in Bezug auf:
• Die Auswirkungen von Infraschall auf die Gesundheit,
• Untersuchungen zur Ausbreitung von Infraschall an WEA und
• einer daraus resultierenden Anwendung ungeeigneter Normen und Vorschriften zur Bewertung von Windkraftanlagen.
Dies soll im Folgenden näher erläutert werden.
Der physikalisch determinierte Grund, warum immer mehr Menschen gegenüber Ärzten über gesundheitliche Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit WEA klagen, liegt in der Verla-gerung der Druckänderungen (Infraschall) in den Frequenzbereich um 1 Hz, einschließlich dessen Oberwellen. Diese Druckänderungen entstehen immer dann, wenn die Rotorblätter (ca. 75 m lang) am Mast vorbeilaufen. Dabei entsteht ein enormer, von der Drehzahl getakteter Druckstoß, quasi ein Knall. Es gibt Studien die belegen, dass solche symmetrischen, pe-riodischen Druckänderungen physiologisch bedingt eine Fehlorientierung des Gehirns durch nicht übereinstimmende Wahrnehmungen der verschiedenen (Sinnes)Organe analog zur Seekrankheit hervorrufen. Gerade in der Ruhe- und Schlafphase des Menschen, also genau dann, wenn das Gehirn Erholung braucht, sind diese periodischen Infraschallimpulse beson-ders gravierend.
Das oft vorgebrachte Argument, Infraschall sei für den Menschen ungefährlich, denn solcher Infraschall würde z.B. auch vom Meeresrauschen und vom Straßenverkehr verursacht, trifft nicht den Kern der Argumentation. Meeresrauschen und Straßenverkehr verursachen keinen periodischen Infraschall. Auch in der Natur kommt kein periodischer Infraschall vor. Deshalb ist der Mensch in seiner Entwicklung eben nicht an diesen Infraschall adaptiert. Das Argument, Infraschall sei ungefährlich, weil man ihn nicht hören kann, ist ebenso wenig überzeugend. Mit einer vergleichbaren Argumentation könnte man auch radioaktive Strahlung als ungefährlich deklarieren.
Bei Infraschall ist es eben nicht so, dass er wie normaler Schall nur über die Ohren wahrge-nommen wird. Infraschall wirkt aufgrund seiner sehr tiefen Frequenzen (kleiner 16 Hz) auf den ganzen Körper ein. Untersuchungen deutscher Wissenschaftler (Charité Berlin, Eppendorf-Klinikum Hamburg, PTB Braunschweig) haben 2017 mittels bildgebender Verfahren (funktionelle Magnetresonanztomografie) gezeigt, dass Infraschall verschiedene Zentren des Gehirns aktiviert, ohne dabei über das Gehör wahrgenommen zu werden (Weichenberger et al. 2017). Die bekannten Funktionen der dabei festgestellten Gehirnzentren unterstützen und erklären vorher bekannte medizinische Befunde an Infraschall-Geschädigten u.a. chronischen Schlafmangel, Tinnitus, Angstzustände, Depressionen, Cortisol-Anstieg und Blutdruckanstieg.
Im Zusammenhang mit von WEA ausgehenden Infraschall wird gerne auf Studie [1], kurz LUBW-Studie, verwiesen. Hierin wurden Schall-Emissionen gemessen, die von Windener-gieanlagen ausgehen. Ergänzend wurden Messungen durchgeführt an Haushaltgeräten, in Städten und im Umfeld natürlicher Schallquellen, wie Meeresrauschen und mit denen der WEA verglichen. Leider sind die in der Studie angewandten Messmethoden nur wenig bis gar nicht geeignet, den oben skizzierten, kritischen Infraschall nachzuweisen.
Als ein Beispiel sollen die verwendeten dB-Bewertungen kurz beleuchtet werden. Die Studie verweist mehrfach auf die in Bezug auf den Infraschall nicht-Eignung des bei der Schallmes-sung üblichen dB(A)-Pegels und gibt bei allen Messungen zusätzlich zu den dB(A)-Pegeln auch die dB(G) Pegel mit an. Hierzu muss man wissen, dass der dB(A)-Pegel ein dem menschlichen Gehör angepasste Bewertung von Schallpegeln darstellt. Das heißt, hierzu wurden viele, viele Menschen dahingehend untersucht, dass sie angeben mussten, ab wann sie ein Geräusch einer bestimmten Frequenz wahrnehmen konnten (Hörtest). Der Mittelwert über alle Menschen ergab dann die dB(A)-Bewertung. Bei der in der LUBW-Studie zusätzlich angewandten dB(G)-Bewertung hat es diese Messung an Menschen mit sehr hoher Wahr-scheinlichkeit nicht gegeben, wie auch, denn dieser Schall ist ja, wie allgemein bekannt, nicht hörbar. Was soll also die Einführung der dB(G)-Bewertung in der Studie, wo diese doch keinerlei Aussagekraft hat?
Der LUBW-Studie werden weitere, erhebliche Mängel bescheinigt, weswegen sie keinesfalls als Stand-der-Technik bezüglich der von Windenergieanlagen ausgesandten Infraschall-Emission angesehen werden kann. Untersuchungen in den USA oder auch von der Bundes-anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) kommen zu völlig anderen Ergebnissen.
Der kritische Infraschall entsteht durch periodische, symmetrische oder unsymmetrische Druckänderungen mit Frequenzen unterhalb des menschlichen Hörbereiches (kleiner 16 Hz). Hinsichtlich Belastungen und Schäden durch Infraschall für die Gesundheit und Umwelt gibt es keine Bewertung, keine Messvorschriften und keine Grenzwerte. Die hierzu herangezogenen Normen und Vorschriften (TA-Lärm, DIN 9613-2, DIN 45680, Stand 26.08.1998 und überarbeiteter Entwurf, Stand 30.06.2016) basieren auf der dB(A)-Bewertung für hörbaren Schall in Oktavbändern und enden bei einer unteren Frequenz von 8 Hz. Das heißt, der für den Infraschall relevante Frequenzbereich (0,1 Hz - 16 Hz) wird nur teilweise bis gar nicht erfasst und somit auch nicht bewertet. Die LUBW-Studie [1] hat bereits auf die Nicht-Eignung des dB(A)-Pegels verwiesen. Die zurzeit verwendete TA-Lärm geht am Problem Infraschall somit vollkommen vorbei, da nur dB(A)-bewerteter Lärm gemessen und bewertet wird.
Weiterhin sind die genannten Normen und Vorschriften in Zeiten von WEA der 250 kW bis 3 MW Klasse entstanden. Die heute installierten Windenergieanlagen arbeiten allerdings im Leistungsspektrum von 3 MW und mehr. Die Ausbreitungsbedingungen von Hörschall sind mit denen des Infraschalls auf Grund der unterschiedlichen Wellenlängen (1 kHz = 34 cm; 1 Hz = 340 m) nicht vergleichbar. Die Ausdehnung/Reichweite der Wellen steigt mit der Zunahme der Wellenlänge (gleich Abnahme der Frequenz).
Das heißt im Ergebnis sind die aktuell angewandten Normen und Vorschriften nicht geeignet, um die Schäden und die gesundheitlichen Belastungen durch von WEA ausgehenden Infra-schall zu beurteilen.
Der Einfluss auf die Tierwelt wird überhaupt nicht untersucht.
[1] Studie „Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen“ beauftragt von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, Stand Februar 2016