Sehr geehrte Damen und Herren,
psychische Probleme spielen gerade im Schüleralter eine sehr große Rolle. Viele Erkrankungen entstehen in dieser Phase, nicht zuletzt wegen dortigen Bedingungen wie Mobbing oder Leistungsdruck. Laut dem Barmer Ärzte Report 2021 wurden im Jahre 2019 bei 4,13% aller Kinder und Jugendlichen psychotherapeutische Leistungen abgerechnet. Diese Zahl spiegelt wohlgemerkt nur abgerechnete Leistungen dar und nicht die Anzahl an Betroffenen die das RKI im Jahr 2019 mit 19,9% aller Kinder und Jugendlichen beziffert. Auch die Bundes Psychotherapeuten Kammer (BPtK) kommt in einem im Oktober 2020 veröffentlichtem Faktenblatt zu ähnlichen Ergebnissen und spricht von fast 20% aller Kinder und Jugendlichen als Betroffene und von 5% aller Betroffenen, die sich in Behandlung befinden. Daraus ergibt sich deckend das lediglich 25% aller Betroffenen sich Hilfe in Form einer Therapie (egal ob Psychotherapeutische Sprechstunde, Akkuttherapie bis hin zu stationären Aufenthalten) holen. Durch die Coronapandemie und die Kontakbeschränkungen und Schulschließungen haben sich diese Zahlen noch erhöht wie unter anderem die COPSY-Längsschnittstudie zeigt. Aus biografischer Sicht kann ich das bestätigen, da ich selbst Jahre gebraucht habe, bis ich mir selbst eingestanden habe Hilfe zu brauchen, da man sich sehr lange einredet, man sei selbst am eigenen Leid schuld, da man oftmals gar nicht weiß, dass man unter einer behandelbaren Krankheit leidet. Und genau hier sehe ich die Schulen mehr in der Pflicht hierrüber zu informieren, um so Kindern zu ermöglichen frühzeitig zu erkennen, dass sie hier Probleme haben, da sich diese Krankheiten früh erkannt sehr einfach behandeln lassen. Haben sich die Symptome erstmal verstärkt und sich die Erkrankung chronifiziert, ist eine Heilung schwieriger und nicht immer reversibel und benötig auf alle Fälle viel mehr Zeit und damit auch Kosten und längerem Leid, was häufig auch zu längeren Ausfallquoten in der Schule oder schlechteren Noten bzw. Abschlüssen führt. In der Schule wird das Thema Sucht und auch sexuelle Krankheiten/Gefahren ausführlich thematisiert und besprochen, völlig zu recht und aus wichtigen Gründen. Warum passiert das gleiche nicht auch bei psychischen Erkrankungen? Hier spielt die Prävention und dadurch eine Frühzeitige Erkennung eine genauso wichtige Rolle. Schülern sollte im Zuge des Unterrichtes lernen, welche Erkennungsmerkmale es gibt, um so selbst besser erkennen zu können, ob sie vielleicht an einer Krankheit leiden und sich diesbezüglich Hilfe suchen sollten oder nicht. Auch kann so allgemein eine bessere Anerkennung von psychischen Krankheiten erreicht werden, was Betroffene entlastet, da sie nicht mehr so an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden würden und ihre Probleme nicht bagatellisiert würden. Auch könnten hier Fälle von z.B. häuslicher Gewalt oder sexuellen Missbrauchs aufgedeckt werden, da Schüler lernen würden das so etwas nicht normal ist und sich diesbezüglich Hilfe suchen könnten. Ich habe selbst Freunde, die bis zum Alter von 18/19 Jahren dachten, das es normal sein, von den Eltern geschlagen zu werden oder auf Sexuelle Weise angefasst zu werden. Sie dachten so ginge es jedem, aber haben sich nicht getraut das anzusprechen, da es in ihren Augen ein Tabu war darüber zu sprechen. Wären diese Themen in der Schule besprochen worden, das es zum Beispiel körperliche Grenzen gibt, die niemand, egal welchen Verwandtengrades oder Freundschaft überschreiten darf, könnten hier viele Missstände in den Familien aufgedeckt werden, wodurch neben eventuellen Rechtlichen Folgen die dadurch entstandenen Traumata bei den Opfern psychotherapeutisch aufgearbeitet und verarbeitet werden können. Bisher kommt sowas meist erst ans Licht, wenn die Probleme so stark sind, das es aufgrund von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen zu einer Behandlung kommt im Zuge derer es dann zur Entdeckung der Traumatisierung kommt. Auch die Sexualität in seinen bunten Farben werden häufig nicht ausführlich besprochen. Zwar ist Homosexualität noch häufig Bestandteil des Unterrichtes, aber Transsexualität oder Asexualität wird häufig nicht behandelt. Aus eigener Erfahrung kann ich schildern wie sich das auswirkt. Ich habe noch nie großes Interesse an Sex gehabt, auch nicht in der ersten Beziehung (im Alter von 17 Jahren) was häufig zu Streit geführt hat. Berichte von anderen, wie häufig und gerne sie Sex hätten habe ich immer versucht als Übertreibung darzustellen. Habe mich öfters gefragt ob irgendetwas mit mir nicht stimmen würde und habe mich häufig gefragt ob ich dann vielleicht Homosexuell bin, weil das die einzig mir bekannte Alternative war, was ich jedoch immer verneinen konnte. Erst als ich in einer psychiatrischen Klinik durch Kommentare einer Mitpatientin erfahren habe das es Asexualität gibt und was das bedeutet begann ich in diese Richtung zu denken, was in mir starke Erleichterung auslöste, da es plötzlich in Ordnung war einfach keine Lust auf Sex zu haben und ich mich mit etwas identifizieren konnte und mich nicht mehr als komisch oder kaputt abstempeln musste. Hätte man in meiner Schulzeit im Zuge der Sexuellen Aufklärung auch darüber gesprochen hätte mir das einiges an Leid erspart.
Deswegen finde ich, dass eine Aufklärung über alle sexuellen Identitäten und über psychische Krankheiten unglaublich wichtig im Lehrplan der Schule wären, da hierdurch relativ leicht sehr vielen Menschen frühzeitig geholfen werden könnte. Dies wird in meinen Augen bestätigt durch die Tatsache, das es an jeder Schule einen Schulpsychologen gibt, der erste Ansprechpartner für Schüler ist, wenn diese ein Problem haben. Solange sie aber gar nicht wissen, was ein Problem darstellt, mit dem man zu ihm gehen kann, da sie von dem allem noch nie oder zumindest nicht in diesem Zusammenhang gehört haben, kann dieses Angebot auch nicht wahrgenommen werden und die Schüler glauben sie seien einfach zu dumm, selbst Schuld oder bauen sich andere Konstrukte, wie sie die Folgen einer Erkrankung mit ihrem vorhandenen Wissen erklären können. Allermeist wird dadurch das bestehende Leid noch vergrößert. Ich hoffe sehr, Sie können meinen Ausführungen folgen und erkennen, wie wichtig eine Prävention und Früherkennung dieser Gebiete in der Schule ist und leiten die nötigen Schritte ein, dass die zukünftigen Schülergenerationen hiervon profitieren können.
Mit freundlichen Grüßen
Robert Gluch