Im Rahmen des Petitionsverfahrens wurde die Thüringer Landesregierung beteiligt und um eine Stellungnahme gebeten. Die entsprechenden Ausführungen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) hat der Petitionsausschuss in seine Beschlussfassung einbezogen.
Im Ergebnis seiner Beratung weist der Petitionsausschuss auf Folgendes hin:
Gesundheitsförderung und Sexualerziehung gehören gemäß § 47 Thüringer Schulgesetz (ThürSchulG) zu den Aufgaben der Thüringer Schule. Jede Schule entwickelt ein ganzheitliches Konzept zur Gesunderhaltung und gesunden Lebensweise, das regelmäßig auf seine Wirksamkeit zu prüfen und fortzuschreiben ist. Gesunde Lebensweise ist an jeder Schule aktiv zu gestalten, wobei der Suchtprävention ein besonderer Stellenwert einzuräumen ist (vgl. § 47 Abs. 1 und 3 ThürSchulG).
Durch die Sexualerziehung sollen sich die Schülerinnen und Schüler altersgemäß mit den biologischen, ethischen, religiösen, kulturellen und sozialen Tatsachen und Bezügen der Geschlechtlichkeit des Menschen vertraut machen. Die Sexualerziehung soll das Bewusstsein für eine persönliche Intimsphäre und für partnerschaftliches, gewaltfreies Verhalten in persönlichen Beziehungen entwickeln und fördern (vgl. § 47 Abs. 5 ThürSchulG).
Dieser gesetzliche Auftrag bedingt, dass alle Fächer entsprechend ihren Möglichkeiten und ihrer Spezifik ihren Beitrag zur Gesundheitsförderung und Sexualerziehung zu leisten haben.
Themen der Gesundheitsförderung finden sich explizit in den Lehrplänen der Grundschule in den Fächern Heimat- und Sachkunde und Schulgarten sowie in den weiterführenden Schularten in den folgenden Fächern: Mensch-Natur-Technik (MNT), Biologie, Ethik, Sozialwesen (Wahlpflichtfach der Regelschule und der Gesamtschule).
Themen der Sexualerziehung finden sich in den Grundschulen in den Lehrplänen des Fachs Heimat- und Sozialkunde und in den weiteführenden Schularten in den Fächern MNT, Biologie und Ethik.
Die Thematik der psychischen Erkrankungen ist nicht explizit in den Thüringer Lehrplänen ausgewiesen. Da die gültigen Thüringer Lehrpläne standard- und kompetenzorientiert aufgebaut sind und sich auf die Beschreibung verbindlicher zentraler fachspezifischer bzw. aufgabenfeldspezifischer Kompetenzen und die Ausweisung zentraler Inhalte beschränken, ist die Behandlung psychischer Erkrankungen nicht ausgeschlossen. Zu beachten ist dabei, dass die Befähigung der Schülerinnen und Schüler zum Erkennen einer psychischen Erkrankung ein hohes Maß an medizinischen Kenntnissen erfordert.
Zweifellos sind auch die Thüringer Schulen mit psychischen Erkrankungen und ihren Folgen konfrontiert. Um die Schulen zu unterstützen, wird seit 2013 in vielen Regionen Thüringens in Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung für Gesundheitsförderung Thüringen e.V. (AGETHUR) das Präventionsprogramm „Verrückt? Na und! Seelisch fit in der Schule“ angeboten. Dieses hat das Ziel, Ängste und Vorurteile bezogen auf psychische Störungen abzubauen, Zuversicht und Lösungswege zu vermitteln und Wohlbefinden in der Klasse zu fördern. Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen soll so nachhaltig gestärkt werden.
In Kooperation mit dem Leipziger Verein „Irrsinnig Menschlich“ wird das Schulprojekt „Verrückt? Na und!“ durch den Aufbau von Regionalgruppen (Netzwerken für seelische Gesundheit) in Landkreisen und kreisfreien Städten in Thüringer Schulen umgesetzt.
"Verrückt? Na und!" ist ein Projekt für Schülerinnen und Schüler ab der 8. Klassenstufe und hat die Förderung der seelischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen, einen aufgeklärten, offenen Umgang mit dem Thema „Seelische Gesundheit“ sowie die Verringerung von Stigmatisierung, Ausgrenzung und Diskriminierung von psychisch erkrankten Menschen zum Ziel. Die Heranwachsenden werden angeregt, sich über große und kleine Fragen zur seelischen Gesundheit auszutauschen. Sie lernen Menschen kennen, die Erfahrung mit psychischen Gesundheitsproblemen haben, entweder als Expertinnen und Experten in eigener Sache oder von Berufs wegen. Dadurch bekommt das komplexe Konstrukt „Seelische Gesundheit“ ein Gesicht und ist zum Greifen nah.
Darüber hinaus werden pädagogische Fachkräfte, Eltern, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sowie Referentinnen und Referenten für Schulpsychologie informiert und fortgebildet. Kommunale Akteure und Netzwerke werden durch das Projekt in ihren Aktivitäten zur Förderung der psychischen Gesundheit junger Menschen unterstützt. Gleichzeitig soll Schulen damit der Zugang zum regionalen Hilfs- und Beratungsnetzwerk erleichtert werden.
Das Projekt wurde vom Leipziger Verein „Irrsinnig Menschlich“ entwickelt und evaluiert und wird seit mehreren Jahren in vielen Regionen der Bundesrepublik durchgeführt.
Der Petitionsausschuss weist darauf hin, dass Thüringen eines der ersten Länder ist, welches eine Landeskoordinierungsstelle dafür installiert hat. Ziel ist es, langfristig in jedem Thüringer Landkreis und jeder kreisfreien Stadt ein Netzwerk für seelische Gesundheit zu etablieren und das Projekt an alle Thüringer Schulen zu bringen. Aufbauend darauf können die Schulen dann gemeinsam mit dem lokalen Netzwerk weitere Bedarfe zum Thema bearbeiten.