Schlecht funktionierende, schulische Inklusion in Thüringen

Teaserbild der Petition
Abgeschlossen
657 Mitzeichnungen
  • Bildung & Jugend
  • Gesamtthüringen
  • eingereicht von Juliane Pesch
    aus 98544 Zella-Mehlis
  • veröffentlicht am 19.08.2024
  • 05.12.2024
    Statusänderung zu Abgeschlossen
  • 05.12.2024
    Abschlussbericht

    Im Rahmen des Petitionsverfahrens wurde die Thüringer Landesregierung beteiligt und um eine Stellungnahme gebeten. Die entsprechenden Ausführungen des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport hat der Petitionsausschuss in seine Beschlussfassung einbezogen.

    Im Ergebnis der Prüfung des Anliegens bleibt Folgendes festzustellen:

    Gemäß Art. 24 der UN-BRK „…gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen…mit dem Ziel, …Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befähigen. Bei der Verwirklichung dieses Rechts stellen die Vertragsstaaten sicher, dass Menschen mit Behinderungen nicht aufgrund von Behinderung vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden…“

    Gemäß § 2 ThürSchulG ist ein Vorrang des gemeinsamen Unterrichts vor dem Besuch einer Förderschule beschrieben. Dies folgt den Vorgaben der UN-BRK bedingt, da trotzdem weiter die Förderschule als fester Bestandteil der Schularten in Thüringen Bestand hat. Dieser Vorrang wurde schon mit der Schulgesetznovelle 2003 beschrieben, lange vor der Ratifizierung der UN-BRK in Deutschland (März 2009).

    Zu den Forderungen der Petition ist Folgendes anzumerken:

    • „…wenn die Entscheidung auf eine inklusive Beschulung an einer allgemeinbildenden Schule von den Ämtern gewährt wird, muss auch diese im Anschluss mit weitergetragen werden.“

    Die Ämter (Staatliches Schulamt, Schulverwaltungsamt, ggf. Jugendamt und/oder Sozialamt) beraten gemeinsam über den geeigneten Lernort eines Kindes mit sonderpädagogischem Förderbedarf.

    Im Ergebnis erlässt das zuständige Schulamt einen Lernortbescheid. Daraus geht hervor, welche Schule im Sinne des gemeinsamen Unterrichts die am nächsten gelegene und geeignete Schule ist (gemäß der räumlichen, personellen und sächlichen Ressourcen) und welche Förderschule geeignet ist. Die betreffenden Ämter sind per se dafür verantwortlich, ihre Entscheidungen auch zu tragen und weiter zu unterstützen.

    • „Es muss eine unabhängige zentrale Anlaufstelle an Schulen geschaffen werden, die den Eltern bei den vielen Antragstellungen unterstützt.“

    Eine unabhängige Beratung ist im Sinne der „Beratung der Eltern über den geeigneten Lernort“ an den Schulämtern installiert. Die Referentinnen und Referenten für inklusive Bildung übernehmen diese Aufgabe. Einer weiteren institutionellen zentralen Anlaufstelle bedarf es deshalb nicht, zumal es bei der Feststellung sonderpädagogischen Förderbedarfs und der daraus resultierenden Maßnahmen für den weiteren Bildungsverlauf des Kindes immer um einen Einzelfall geht.

    Zudem gibt es in jedem Sozialgesetzbuch eine Auskunfts- und Beratungspflicht des Amtes, welches für die Leistungen dieses Gesetzbuches verantwortlich ist.

    • Umbau des Schulsystems: „…Förderschulen müssen … für alle Schüler (für behinderte und nicht behinderte Schüler) geöffnet werden, damit die Inklusion schneller, kostengünstiger, wohnortnaher und ressourcenschonender im gemeinsamen Lernen umgesetzt werden kann.“

    Die Erfüllung dieser Forderung würde eine Umkehr des in Thüringen beschrittenen Weges bedeuten und auch nicht im Sinne des Art. 24 der UN BRK sein. Wie bereits erwähnt, hat der gemeinsame Unterricht den Vorrang vor einer Beschulung in einer Förderschule (§ 2 ThürSchulG). Dieser Grundsatz folgt den Vorgaben der UN-BRK. Parallel gibt es in Thüringen auch weiterhin Förderschulen und Förderzentren, weil im Einzelfall zu entscheiden ist, ob für das Kind eine Beschulung in einer spezialisierten Förderschule der bessere Weg ist. Die Förderzentren unterstützen mit ihren fachlichen Kompetenzen und den personellen Ressourcen die allgemeinbildenden Schulen bei der inklusiven Beschulung und Betreuung von Menschen mit Behinderungen.

    Auch Fachwissenschaftler raten von einem solchen Weg ab, da dies zwar als Zwischenschritt hin zu einer umfassenden schulischen Inklusion gesehen werden könnte, dies jedoch immer diesen Status beibehalten würde. Zudem sind die Schulgebäude der Förderzentren in Thüringen meist nicht geeignet, eine größere Anzahl an Schülerinnen und Schülern zu beherbergen. Zu geringe Raumgrößen und der Mangel an Fachunterrichträumen schränken in vielen Förderschulen die Umsetzung einer solchen Form der Inklusion zusätzlich ein.

    • „Jede Förderung eines Schulumbaus muss konsequent die Bedingung zur Schaffung der Barrierefreiheit erfüllen.“

    Gemäß der Thüringer Bauordnung vom 13. März 2014, § 50 (2) gilt:

    „Bauliche Anlagen, die öffentlich zugänglich sind, müssen in den dem allgemeinen Besucher- und Benutzerverkehr dienenden Teilen barrierefrei sein. Dies gilt insbesondere für

    1.         Einrichtungen der Kultur und des Bildungswesens, …“

    Grundlage für diese Barrierefreiheit bilden DIN 18024-2, Öffentlich zugängige Gebäude und Arbeitsstätten sowie DIN 18040-1 Barrierefreies Bauen - Planungsgrundlagen - Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude (in Überarbeitung, Veröffentlichung in 2024 geplant; damit wird die DIN 18024-2 ersetzt).

    Demnach sind die Schulträger verpflichtet, dieses Mindestmaß an Barrierefreiheit bei Neubau oder Rekonstruktionen bzw. Sanierungen und Umbauten von Schul- und Sportgebäuden entsprechend umzusetzen. Einzig die Regelungen zum Denkmalschutz können dieses Maß am Herstellen von Barrierefreiheit verhindern.

    Die Richtlinie für die Gewährung finanzieller Zuwendungen zur Förderung des Schul- und Sporthallenbaus (Schulbauförderrichtlinie – SchulBauFR) des Thüringer Ministeriums für Infrastruktur und Landwirtschaft (TMIL) beschreibt als notwendigen Grundsatz für eine Förderung im Schulbau, dass „im Interesse der Nachhaltigkeit […] eine umfassende bauliche Ertüchtigung von Schulstandorten unter Berücksichtigung der standortbezogenen Anforderungen an eine inklusive Beschulung angestrebt [wird].“

    Demnach wird in Thüringen keine schulbauliche Aktion gefördert, welche diesem Grundsatz nicht entspricht.

    • „Im Lehramtsstudium muss auch auf die inklusive Beschulung vorbereitet werden… Für bereits ausgebildete Lehrer müssen Weiterbildungen in Sachen Inklusion ermöglicht werden.“

    Die Studien- und Prüfungsordnungen der lehramtsbezogenen Studiengänge an der Universität Erfurt vom Mai 2023 weisen einen der höchsten Credit-Points für den Bereich „Heterogenität und Inklusion“ als Pflichtbereich aus und demzufolge auch als prüfungsrelevant. Die Studien- und Prüfungsordnungen der lehramtsbezogenen Studiengänge an der Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena bemessen seit Juni 2015 diesem Inhalt sogar noch einen größeren Raum. Damit kann davon ausgegangen werden, dass alle in Thüringen ausgebildeten Lehramtsstudierenden mit Erstem Staatsexamen hinreichend auf die schulische Realität seit Inkrafttreten der UN-BRK vorbereitet sind.

    Zudem ist die zweite Phase der Lehrerbildung in Thüringen geprägt von den Grundgedanken inklusiver Beschulung auf Grundlage der UN-BRK. Insbesondere in den Kompetenzbereichen Unterrichten, Erziehen sowie Beurteilen ist dies vertiefend im Rahmen des „Allgemeinen Seminars“ abgebildet. Damit kann davon ausgegangen werden, dass alle in Thüringen ausgebildeten Lehramtsanwärter im Vorbereitungsdienst hinreichend auf die schulische Realität seit Inkrafttreten der UN-BRK vorbereitet sind, sich erprobt und erste Routinen entwickelt haben.

    Die dritte Phase der Lehrerbildung ist geprägt von einer Vielzahl an Fortbildungsangeboten mit einem Bezug zur schulischen Inklusion. In den letzten beiden Schuljahren haben sich fast 7.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer in über 370 Veranstaltungen auf Grundlage des Qualifizierungskonzeptes "Inklusive Bildung" fortgebildet und ihre Kompetenzen in diesem Bereich erweitert.

    • „Kinder mit Behinderung…dürfen nicht von der Gesellschaft ausgeschlossen werden… wenn sie aufgrund von fehlenden Ressourcen gezwungener Maßen eine Förderschule besuchen müssen…“

    Bezüglich dieser Forderung verweist der Petitionsausschuss auf die Regelungen im § 2 ThürSchulG, insbesondere auch auf den Vorrang des gemeinsamen Unterrichts. Die Beschulung im gemeinsamen Unterricht und die Teilhabe an den anderen schulischen Veranstaltungen soll genau diesen Ausschluss behinderter Kinder verhindern.

    Aktuell stellt das Thüringer Schulgesetz darauf ab, dass für den Fall, dass das zuständige Staatliche Schulamt keinen geeigneten Lernort an einer allgemeinen Schule ermittelt, der Schüler eine Förderschule besuchen kann (§ 8a Abs. 3 Satz 3). Maßgeblich dafür sind die vorhandenen oder mit überschaubarem Aufwand vorzubereitenden Ressourcen im Hinblick auf Personal, Raum und Ausstattung. Demnach kann es im Einzelfall notwendig sein, dass eine Schülerin/ein Schüler eine Förderschule besucht, da diese Ressourcen im Gemeinsamen Unterricht nicht vorgehalten werden können.

    Fehlende Ressourcen:

    „Viele allgemeinbildende Schulen sind nicht barrierefrei… Schulen, die schon barrierefrei sind, werden…geschlossen, weil die Schüleranzahl zu gering ist.“

    „..über 80 % der sonderpädagogischen Förderung fällt mangels Personals ersatzlos aus..“

    Schulschließungen finden in Thüringen im marginalen Bereich statt. Oft werden diese zusammengelegt, was einer Schließung jedoch nicht entspricht. Da die Schulbauförderung an einen dauerhaft angelegten und betriebenen Schulstandort unmittelbar geknüpft ist, kann nicht belegt werden, dass Schulen mit barrierefreien Schulgebäuden aufgrund zu geringer Schülerzahlen geschlossen wurden.

    Sonderpädagogisches Personal (Förderschullehrer und Sonderpädagogische Fachkräfte) wird gemäß der Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Schuljahres in den allgemeinen Schulen vom Netzwerkleiter (Schulleiter des regionalen Förderzentrums) eingesetzt.

    Für die Berechnung der Wochenstunden für die sonderpädagogischen Schwerpunkte Lernen, Sprache sowie emotionale und soziale Entwicklung werden 5 v. H. der Gesamtschülerzahl der 1. bis 10. Klassenstufen der allgemeinbildenden Schulen (ohne Kolleg) zugrunde gelegt.

    Im aktuellen Schuljahr liegt die Förderquote in diesem Bereich bei lediglich 3,9 %, trotzdem wird davon ausgegangen, dass 5 % der Schülerschaft in diesem Bereich zu fördern sind. Die Förderquote im Bereich der sonderpädagogischen Förderschwerpunkte Sehen, Hören, geistige Entwicklung sowie körperlich-motorische Entwicklung liegt im aktuellen Schuljahr bei 1,3 %. Die Berechnung dieser Wochenstunden gehen 1zu1 in die Förderung in den allgemeinen Schulen.

    Diese Verwaltungsvorschrift regelt zudem die Aufgabenbereiche. Die den Netzwerkschulen zugewiesenen Wochenstunden sind für den gemeinsamen Unterricht, für Beratung und Diagnostik, für die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Lernschwierigkeiten, eigenständigen Unterricht mit sonderpädagogischer Schwerpunkt-setzung und Fördermaßnahmen zu verwenden.

    Die Entscheidung darüber treffen die Schulleiter der Netzwerkschulen im Benehmen mit den ihnen zugewiesenen Förderpädagogen.

    Art und der Umfang der Unterstützung für den Schüler richten sich nach dem individuellen Förderbedarf. Auch im Bereich der Förderschullehrkräfte ist mit den aktuellen Engpässen umzugehen. Bis jetzt haben die Netzwerkleiter immer eine Lösung gefunden, damit kein dauerhafter, ersatzloser Ausfall entsteht.

    • „Die eingeführten Verfahrenslotsen bei den Jugendämtern sind nicht unabhängig und beraten lediglich.“

    Die Aussage, die Verfahrenslotsen seien nicht unabhängig, ist nicht korrekt. Gemäß § 10b Abs. 1 S. 2 SGB VIII agieren Verfahrenslotsen grundsätzlich unabhängig bzw. weisungsungebunden (Regelfall). Ferner ist die Aussage auch mit Blick auf die praktische Umsetzung zu hinterfragen, da Sie nicht darlegen, worin Ihre Auffassung begründet ist.

    Selbiges gilt für die Darstellung der Tätigkeit der Lotsinnen und Lotsen, die nach Aussage in der Petition ‚lediglich beraten‘ würden. Auch hier wird nicht näher erläutert, auf welche Erfahrungen oder Kenntnisse sich diese Einschätzung stützt.

    Es ist nicht zu beanstanden, dass Verfahrenslotsen beraten. Gemäß § 10b SGB VIII ist dies Kern ihrer Aufgabe. Für Verfahrenslotsen sind folgenden Aufgaben, die über die Beratung hinausgehen, gesetzlich normiert:

    • Begleitung und Unterstützung von jungen Menschen, die Leistungen der Eingliederungshilfe wegen einer Behinderung oder wegen einer drohenden Behinderung geltend machen oder bei denen solche Leistungsansprüche in Betracht kommen, sowie ihre Mütter, Väter, Personensorge- und Erziehungsberechtigten bei der Antragstellung, Verfolgung und Wahrnehmung dieser Leistungen (§ 10b Abs. 1 S. 1 SGB VIII)
    • Unabhängige Unterstützung der Klienten bei der Verwirklichung von Ansprüchen auf Leistungen der Eingliederungshilfe (§ 10b Abs. 1 S. 2 SGB VIII)
    • Hinwirken auf die Inanspruchnahme von Rechten (§ 10b Abs. 1 S. 1 SGB VIII)
    • Unterstützung der örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe bei der Zusammenführung der Leistungen der Eingliederungshilfe für junge Menschen in dessen Zuständigkeit (§ 10b Abs. 2 S. 1 SGB VIII)
    • Halbjährliche Berichterstattung gegenüber dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe insbesondere über Erfahrungen der strukturellen Zusammenarbeit mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen, insbesondere mit anderen Rehabilitationsträgern (§ 10b Abs. 2 S. 2 SGB VIII)

    „Viele Gesprächstermine mit und ohne Kind je nach Hilfebedarf beim Jugendamt, Sozialamt und Schulärzte beim Gesundheitsamt (z.B. zur Beantragung eines Schulbegleiters und anderen Hilfsmitteln…“

    Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe werden auf Antrag erbracht. Innerhalb des dadurch eingeleiteten Verwaltungsverfahrens ist für die Bewilligung der geeigneten Hilfe die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erforderlich. Dies erfordert, sich einen Eindruck von der persönlichen Situation des betroffenen Kindes in Terminen zu verschaffen.

    Die Häufigkeit entsprechender Termine hängt dabei vom Einzelfall und den damit verbunden individuellen Fallfaktoren ab. Die Frequenz der Termine wird zusätzlich durch die Art und den Umfang einer Hilfe sowie die individuellen Verwaltungsabläufe in den Ämtern vor Ort beeinflusst.

    Die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben mit Blick auf begrenzte zeitliche und personelle Ressourcen kein Interesse daran, mehr Termine zu vereinbaren, als erforderlich.

    • „regelmäßige Helferkonferenzen mit allen beteiligten Helfern (= Eltern fühlen sich hier wie Bittsteller in einem System mit zu wenig Ressourcen) und weiterhin Verlaufskontrolle: regelmäßige Vorstellungen mit und ohne Kind bei den verschiedenen Ämtern“

    Die Einberufung von ‚Helferkonferenzen‘ (Hilfeplangespräche) durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ist gesetzlich vorgegeben, vgl. § 36 Abs. 2 S. 2 SGB VIII.

    Die Ämter sollen gemeinsam mit den Personensorgeberechtigten und dem Kind oder dem Jugendlichen einen Hilfeplan aufstellen, welcher dann regelmäßig zu prüfen ist und in den auch anderen Personen, Dienste oder Einrichtungen sowie Schulen, öffentliche Sozialleistungs- und Rehabilitationsträger einbezogen werden, soweit die Einbindung für die Feststellung des Bedarfs, der zu gewährenden Art der Hilfe oder der notwendigen Leistungen nach Inhalt, Umfang und Dauer erforderlich ist.

    Dies gilt sowohl im Vorfeld der Bescheidung einer Kinder- und Jugendhilfe-leistung, als auch im Verlauf der Umsetzung der Leistung. Vorrangige Aufgabe einer Konferenz ist dann die Überprüfung, ob die gewählte Hilfeart weiterhin geeignet und notwendig ist, mit dem Ziel, bestehende Leistungen bei Bedarf anzupassen oder neue bzw. zusätzliche Unterstützung den Bedarfen entsprechend zu installieren. Zweck der Regelung ist damit, dem Interesse des betroffenen jungen Menschen am besten gerecht zu werden.

    Die Frequenz der Hilfeplangespräche ist von der voraussichtlichen Dauer der zu gewährenden Hilfe abhängig und kann erhöht sein, wenn die Hilfe voraussichtlich länger als sechs Monate andauert. Darüber hinaus können konkrete Umstände eines Falls zusätzlich Gespräche erforderlich machen. Die Entscheidungsverantwortung liegt bei der zuständigen Fachkraft beim örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die eine Beanstandung der Frequenz der Gespräche rechtfertigen.

    • „regelmäßige Einreichung von Unterlagen: Damit die Ämter weiter die notwendigen Hilfen gewähren, müssen dazu regelmäßig Arztberichte‚ Zeugnisse, Stundenpläne und vieles Weitere eingereicht werden.“

    Grundlage der Entscheidung einer Behörde im Zusammenhang mit Sozialleistungen, sind immer Unterlagen, die den geschilderten Bedarf belegen (z.B. Einkommensnachweise, ärztliche Stellungnahmen, Gutachten). Dies gilt auch im Kinder- und Jugendhilferecht.

    Sozialleistungen dienen dem Zweck, Unterstützung in einer Not-/Bedarfslage zu gewähren und sind zu beenden, wenn der Bedarf entfällt. Die Unterlagen werden zudem für die bedarfsgerechte Anpassung einer Leistung benötigt. Diese Verfahrensweise schützt das Sozialleistungssystem vor unrechtmäßigen finanziellen Belastungen und stellt zugleich sicher, dass leistungsberechtigte Personen bedarfsgerechte und ausreichende Unterstützung erhalten. Die langfristige Wahrung dieser Ziele bedarf einer regelmäßigen Überprüfung der Anspruchsvoraussetzung, da sich diese verändern können.

    Eine mehr oder weniger regelmäßige Abforderung entsprechender Unterlagen ist insofern rechtmäßig.

    • „Beantragung von Verlängerungsanträgen: … manche Leistungen wie Schulbegleiter sind befristet und müssen rechtzeitig von den Eltern regelmäßig einmal jährlich wieder neu beantragt werden. Obwohl es ein Urteil vom Bundessozialgericht gibt, das eine Befristung als rechtswidrig sieht, wird auf einen jährlichen Verlängerungsantrag von Jugend- und Sozialamt bestanden.“

    Mit der Petition wird richtig dargestellt, dass bestimmte Leistungen des Sozialleistungssystems nur befristet beschieden werden. Solche Leistungen finden sich nicht nur im Kinder- und Jugendhilferecht. Je nach Leistung und Rechtskreis hat diese Praxis unterschiedliche Ursachen.

    Am Beispiel einer Schulbegleitung stellt die Petentin richtig dar, dass eine Schulbegleitung in vielen Fällen mindestens einmal pro Jahr neu beantragt werden muss. Ursächlich hierfür ist zumeist die längere unterrichtsfreie Zeit in den Sommermonaten. Da eine Schulbegleitung einer leistungsberechtigten Person gemäß § 112 Abs. 1 S. 3 SGB IX den Besuch einer Schule ermöglichen oder erleichtern soll, dies aber in der unterrichtsfreien Zeit nicht umgesetzt werden kann, werden die entsprechenden Hilfen meist nur für die Dauer des Schuljahres bewilligt und macht einen Folgeantrag erforderlich.

    Bei einer fortlaufenden Bewilligung entstehen allerdings Kosten für Leistungen, die nicht in Anspruch genommen werden können.

    Die Heranziehung des von der Petentin zitierten Urteils des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 2021 (Urteil_BSG_B_08_SO_09_19_R_28.01.2021) als Begründung für eine grundsätzliche Unrechtmäßigkeit einer Befristung einer Schulbegleitung ist ungeeignet. Weder der Streitgegenstand des Urteils (Befristung eines persönlichen Budgets) noch die letztendlich zu finanzierenden Leistungen der Eingliederungshilfe stehen in Zusammenhang mit Ihrem Anliegen.

    • „gesonderte Beantragungen: Zum Beispiel muss gesondert beantragt werden, wenn der Einsatz des Schulbegleiters zu Klassenfahrten erfolgen soll, ohne dass die Eltern über die Notwendigkeit einer Beantragung informiert werden. Stattdessen erfolgt erstmal nur die Ablehnung.“

    Gemäß dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 14. August 2014 (Urteil_OVG_SH_3_LB_15-12_Kostenerstattung Schulbegleitung Klassenfahrt), kann eine Hilfe grundsätzlich auch für besondere Schulveranstaltungen, wie z.B. Klassenfahrten ermöglicht werden, wenn sie dem Ziel der Eingliederungshilfe dient. Zwar liegt die Aufsichtspflicht grundsätzlich in der Pflicht der Schule, jedoch müssen individuelle Umstände der leistungsberechtigten Personen berücksichtigt werden, die zu Schwierigkeiten in der Gewährleistung der Aufsicht führen können, wie z.B. der grundsätzlichen „Förderung der Orientierung und Bewältigung des alltäglichen Ablaufs“. Die Umstände richten sich immer nach dem Einzelfall und müssen entsprechend geprüft werden.

    Grundsätzlich handelt es sich bei einer Klassenfahrt um ein nicht verbindlich durchzuführendes Ereignis im Schulbetrieb. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fachkräfte der örtlichen Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe im Rahmen der Antragsprüfung Kenntnis über ein entsprechendes Ereignis haben. Sofern eine Begleitung und Betreuung außerhalb des vereinbarten Rahmens notwendig erscheinen, muss die Behörde darüber informiert werden, damit eine entsprechende Ausweitung des Leistungsumfangs geprüft werden kann.

    Mit den vorgenannten Informationen hat der Petitionsausschuss die Petition abgeschlossen.

     

  • 08.10.2024
    Zwischenbericht

    Die Petition ist am 19. August 2024 der Petitionsplattform des Thüringer Landtags veröffentlicht worden. In dem sechswöchigen Mitzeichnungszeitraum wurde die Petition von 82 Mitzeichnern unterstützt. Außerdem liegen dem Petitionsausschuss Unterschriften von 575 weiteren    Unterstützern vor.

    Mit insgesamt 657 Mitzeichnungen wurde das für eine öffentliche Anhörung im Petitionsausschuss notwendige Quorum von 1.500 Mitzeichnern nicht erreicht.

    Der Petitionsausschuss wird die Petition in einer seiner nächsten Sitzungen inhaltlich beraten.

  • 01.10.2024
    Statusänderung zu In Beratung
  • 19.08.2024
    Statusänderung zu Mitzeichnen