Der Petitionsausschuss hat im Rahmen des Petitionsverfahrens die Thüringer Landesregierung aufgefordert, zu der Petition Stellung zu nehmen. Neben den Argumenten der Petition hat der Petitionsausschuss eine Stellungnahme des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (TMASGFF) in die Beratung einbezogen.
Zusammenfassend ist zu dem Anliegen - Finanzierung der Assistenz von Menschen mit Behinderung im Krankenhaus – festzustellen, dass hier zwischenzeitlich eine bundesrechtliche Regelung getroffen wurde. Es wurden Lösungen gefunden, damit Menschen mit Behinderungen, die im Alltag von Assistenzkräften unterstützt werden, auch während eines Aufenthalts im Krankenhaus Unterstützung erhalten können. Eine vertraute Person ist oft unerlässlich, um beispielsweise mit dem Krankenhauspersonal zu kommunizieren. Das TMASGFF verweist in diesem Zusammenhang auf Regelungen der Kostenübernahme bei Assistenzleistungen im Krankenhaus durch Eingliederungshilfe und gesetzliche Krankenversicherung, wenn Angehörige oder andere vertraute Personen Menschen mit Behinderungen ins Krankenhaus begleiten. Durch die Regelungen des Bundesgesetzgebers konnte somit diesem Anliegen der Petition entsprochen werden.
Hinsichtlich der Schulung und Sensibilisierung des Klinikpersonals im Umgang und der Kommunikation mit der Patientengruppe wird in der Petition die Auffassung vertreten, dass diese auch bereits während der Ausbildung stattfinden muss.
Der Thüringer Lehrplan für die Ausbildung zum/zur Pflegefachmann/Pflegefachfrau berücksichtigt aus Sicht der Petenten die Interessen der Menschen mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung nicht ausreichend. So werden in den verschiedenen Lernsituationen beispielsweise Patienten mit psychischen Beeinträchtigungen beschrieben. Jedoch werden diejenigen mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung nicht thematisiert.
Im Rahmen der öffentlichen Anhörung zu der Petition wurde auch insbesondere die Anpassung der Lehrpläne für die Pflegeberufe inklusive der Rahmenpläne erörtert. Diesbezüglich sollte eine Abstimmung zwischen dem TMASGFF und dem Thüringer Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (TMBJS) erfolgen. Hinsichtlich der Anpassung der Lehrpläne für Pflegeberufe legte das TMBJS dar, dass in dem ab 2020 geltenden Lehrplan der neuen generalistischen Ausbildung zum Pflegefachmann/Pflegefachfrau im Lernfeld 07 nur pflegefachliche, rechtliche und ethische sowie die Kommunikation betreffende Aspekte für die Arbeit mit Menschen verschiedener Altersgruppen, die von geistiger oder körperlicher Behinderung oder Mehrfachbehinderung betroffen seien, entsprechend einer Grundausbildung enthalten seien. Es wird davon ausgegangen, dass das Thema insoweit in der Ausbildung vollumfänglich erfasst und verankert ist. Der Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport, der um Mitberatung zur Petition ersucht wurde, verständigte sich darauf, dass die zitierte Stelle im Lernfeld 07 dem Petitionsausschuss für die weitere Beratung der Petition zur Verfügung gestellt werden sollte. Dies ist erfolgt.
Hinsichtlich des Lehrplans der generalistischen Ausbildung zum Pflegefachmann/zur Pflegefachfrau wird ebenfalls noch Handlungsbedarf gesehen. Um die Lernenden gut auf die Arbeit mit Patienten mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung vorzubereiten, sei es wichtig, diese in Lernsituationen aufzunehmen.
Durch die wachsende Anzahl von Senioren mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung werde eben diese Patientengruppe in Zukunft noch präsenter in den Krankenhäusern sein. Menschen mit Behinderungen können Krankenhausleistungen unter Achtung ihrer Würde und Persönlichkeit nur in Anspruch nehmen, wenn das zuständige Fachpersonal diesem Personenkreis fachlich kompetent und zugewandt begegnen kann.
Durch das TMBJS wurde hierzu ergänzend darauf hingewiesen, dass der Thüringer Lehrplan für den dreijährigen Bildungsgang Pflegefachmann/-frau in allen Lernfeldern den bundeseinheitlichen Vorgaben des Rahmenplans der Fachkommission folgt. Die Inhalte des Thüringer Lehrplan orientieren sich am Ausbildungsziel nach § 5 Pflegeberufegesetz.
Im Rahmen der Erarbeitung des Thüringer Lehrplans wurden den Schulen exemplarisch Handlungs- und Lernsituationen zur Verfügung gestellt, ohne dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Mit den bisher erarbeiteten Situationen im Lernfeld 07 ist der Fokus auf Menschen mit Behinderungen gesetzt worden. Die Hinweise der Petition auf eine erforderliche Ergänzung der bisherigen Lerninhalte können bei der Überarbeitung des Thüringer Lernplans in die Evaluation einbezogen werden.
Für das aktuelle Schuljahr sei es geplant, im Rahmen von Fortbildungsangeboten über die Fachberatungen des ThiLLM den Thüringer Schulen Unterstützung bei der Umsetzung des Lehrplans und der Erarbeitung der schulinternen Curricula anzubieten. Es werde geprüft, inwieweit eine Sensibilisierung für die inhaltliche Bearbeitung der Unterrichtsthemen im Zusammenhang mit den Besonderheiten im Umgang mit Menschen mit geistiger und körperlicher oder Mehrfachbehinderungen erfolgen kann.
Es wird darauf aufmerksam gemacht, dass der erstmalige Ausbildungsstart in Thüringen im Bildungsgang Pflegefachmann/-frau im September 2020 war. Die ersten gesammelten Erfahrungen könnten hinsichtlich ausstehender Themen und Inhalte des Unterrichts mit Blick auf die Zukunft Berücksichtigung finden.
Das TMASGFF legte in einer ergänzenden Stellungnahme dar, dass die Auszubildenden in den Pflegefachberufen während der Ausbildung die Kompetenzen entsprechend den Anlagen 1-4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe entwickeln. Beispielhaft sind die Kompetenzen aus dem Kompetenzbereich I: „Die Entwicklung und Autonomie in der Lebensspanne fördern.“ sowie aus dem Kompetenzbereich II: „Die Kommunikation und Beratung personen- und situationsorientiert gestalten.“ zu nennen.
Im Ausbildungsziel der Ausbildung nach Pflegeberufegesetz ist die Fähigkeit zum Wissenstransfer und Selbstreflektion festgehalten. Es wird erwartet, dass die Pflegenden auch nach dem Abschluss der beruflichen Erstausbildung in der Lage sind ein professionelles Pflegeverständnis und ein berufliches Selbstverständnis weiterzuentwickeln, in dem auch die Pflege und Betreuung von Menschen, die von geistiger und/oder Mehrfachbehinderung betroffen sind, entsprechend dem Pflegeprozess durchgeführt wird.
Es ist zu begrüßen, dass die Krankenhäuser nach § 20 a Thüringer Krankenhausgesetz verpflichtet sind, die besonderen Belange und Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Der im Jahr 2016 erarbeiteten Leitfaden für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus gemäß § 20 a Abs. 3 Thüringer Krankenhausgesetz wird als sehr gut erachtet. Der Leitfaden diene jedoch nur als Empfehlung und müsse nicht verpflichtend umgesetzt werden. An dieser Stelle werden Nachbesserungen für erforderlich gehalten.
Durch das TMASGFF wurde dargelegt, dass jedes Krankenhaus nach § 20 a Thüringer Krankenhausgesetz bereits heute verpflichtet ist, einen Handlungsleitfaden zu erstellen, der wesentliche Grundprinzipien des Umgangs mit Menschen mit Behinderungen im Krankenhaus enthalte. Das Ministerium als Planungsbehörde habe gemeinsam mit der Landeskrankenhausgesellschaft und im Zusammenhang mit dem Selbstvertretungsgremium, dem Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen, einen Musterleitfaden als Handreichung für die Kliniken erstellt. Die Kliniken sind verpflichtet, entweder diesen Musterleitfaden zu übernehmen oder eigene Leitfäden zu entwickeln.
Aufgrund der in der öffentlichen Anhörung dargelegten Erfahrungen habe sich das TMASGFF nochmals an die Landeskrankenhausgesellschaft gewandt und es sei gemeinsam vereinbart worden, dass der von der Landeskrankenhausgesellschaft in den Kliniken regelmäßig übermittelte Rundbrief genutzt werden soll, mit einem oder mehreren Beiträgen das Bewusstsein der Kliniken für ihre diesbezügliche Verpflichtung zu schärfen. Das Ministerium wolle der Lebenshilfe anbieten, dass diese selbst auch einen Beitrag zum Leitfaden oder ein Beispiel für vorbildliches Eingehen auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen einreiche. Dies könnte dann in einem Rundbrief an die Krankenhäuser veröffentlicht werden. Es bestehe auch die Möglichkeit, nochmals auf die Schulungsverpflichtung gemäß § 20 a Abs. 3 Satz 1 Thüringer Krankenhausgesetz hinzuweisen und in diesem Zusammenhang konkrete Ansprechpartner der Lebenshilfe oder andere Interessenverbände zu benennen. Diese könnten bei Schulungen ganz konkret und beispielhaft berichten. Das Ministerium erklärte sich bereit, entsprechende Kontakte herzustellen.
Im Weiteren wurde in der Beratung des Ausschusses für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, der auch um Mitberatung zur Petition ersucht wurde, auf das Aufnahme- und Entlassungsmanagement der Krankenhäuser eingegangen. Das Entlassungsmanagement ist eine gesetzliche Aufgabe. Die Krankenhäuser sind nach § 39 Abs. 1 a SGB V verpflichtet, ein effektives Entlassungsmanagement zur Unterstützung des Übergangs in die Anschlussversorgung zu gewährleisten. Hierzu existiert ein Rahmenvertrag der für die Krankenhäuser verbindlich ist. Bei Problemen besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Rechtsaufsicht auf die Häuser zuzugehen. Allerdings müssten hierfür Kliniken, die die Vorgaben nicht umsetzten, konkret benannt werden. Beim Auftreten oder Bekanntwerden der Probleme besteht die Möglichkeit, sich mit konkreten Hinweisen an die Planungsbehörde, also an das TMASGFF, zu wenden.
Im Ergebnis ist festzustellen, dass die zuständigen Stellen weiter an der Bewältigung der in der Petition vorgetragenen Probleme arbeiten. Es wurde aber auch auf bereits bestehende Regelungen zum Anliegen der Petition verwiesen. Für das medizinische Personal gebe es Qualifikations- und Fortbildungsangebote durch die Träger der Krankenhäuser. Dieser Prozess werde dynamisch fortentwickelt.
Es ist zu begrüßen, dass der von der Landeskrankenhausgesellschaft regelmäßig an die Kliniken übermittelte Rundbrief genutzt werden soll, um auf den Leitfaden und auf die Verpflichtung zur Umsetzung des § 20 a Thüringer Krankenhausgesetz aufmerksam zu machen. Dennoch sollten die Krankenhäuser mit Nachdruck auf die Nutzung eines adäquaten Leitfadens hingewiesen werden und dessen Umsetzung/Anwendung ist zu gewährleisten.
Im Weiteren gehen wird mit der Petition darauf eingegangen, dass die Qualitätsverträge nach § 110 a SGB V die Möglichkeit schaffen, auf die besonderen Bedürfnisse der Patientengruppe einzugehen.
Der Erprobungszeitraum für die praktische Umsetzung der Qualitätsverträge gemäß § 110 a SGB V zur „Verbesserung der Versorgung von Menschen mit geistiger oder Mehrfachbehinderung im Krankenhaus“ wurde deutlich ausgeweitet. Er endet nunmehr zum 31.10.2029. Zwischenzeitlich wurden in Thüringen zwei Qualitätsverträge gemäß § 110 a SGB V abgeschlossen, jedoch nicht im Bereich der Versorgung von Menschen mit Behinderungen. Da der Gesetzgeber keine spezifischen Umsetzungsinhalte vorgebe, bestehe ein gewisser Handlungsspielraum der teilnehmenden Krankenhäuser. Der Einsatz von Patientenlotsen, das Bereitstellen von barrierefreien Dokumenten, ein für diese Patientengruppe effektives Aufnahme- und Entlassungsmanagement oder die Schulung von Mitarbeitern sind mögliche Umsetzungsbeispiele.
Der Petitionsausschuss hat im Ergebnis seiner Beratungen beschlossen, die Petition, insbesondere im Hinblick auf die mit Petition angeregte Erarbeitung weitergehender rechtlicher Regelungen bzw. die Nachbesserung bereits vorhandener Regelungen, den Fraktionen des Landtags zur Kenntnis zu geben. Diese haben die Möglichkeit parlamentarische Initiativen zu ergreifen. Der Petitionsausschuss geht davon aus, dass die zuständigen Stellen an den mit der Petition aufgezeigten Problemfeldern arbeiten und Lösungen finden.
Das Petitionsverfahren ist mit dem Beschluss gemäß § 17 Nr. 6 Thüringer Petitionsgesetz abgeschlossen.