Etablierung informeller Bildungsmöglichkeiten für junge Menschen in Thüringen

Teaserbild der Petition
Abgeschlossen
4213 Mitzeichnungen
  • Ausbildung & Beruf, Bildung & Jugend, Familien, Gesundheit & Soziales
  • Gesamtthüringen
  • eingereicht von Katja Senkel
    aus 99974 Mühlhausen
  • veröffentlicht am 17.10.2022

Welches Ziel hat die Petition?

Ziel der Petition ist es, den jungen Menschen in Thüringen informelle - und damit zeitgemäße - Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen und ihnen so unter anderem den Zugang zu nationalen und internationalen Online-Schulen, mit denen national anerkannte Bildungsabschlüsse erreicht werden können, zu ermöglichen oder die im ThürSchulG bereits vorgesehene berufliche und arbeitsweltliche Orientierung zur tatsächlichen Geltung zu verhelfen. Damit wird das im Thüringer Bildungsplan verankerte Bildungsverständnis konsequent im Schulgesetz umgesetzt. Bislang heißt es in § 2 Abs. 4 S. 2 Thüringer SchulG lediglich, dass "bei der Gestaltung schulischer Bildungsprozesse und der Übergänge [...] der Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre als Orientierungsrahmen" dienen soll. Durch die derzeitige Ausgestaltung des Schulgesetzes ist dies bislang faktisch aber gar nicht möglich. Mit der Petition sollen derartige Änderungen des Thüringer Schulgesetzes herbeigeführt werden. Eine Gesetzesänderung ist bereits entworfen worden.  

Wie wird die Petition begründet?

Die thüringische Schulbesuchspflicht umfasst nach wie vor die ausnahmslose Pflicht zur körperlichen Anwesenheit in einer öffentlichen Schule oder genehmigten Ersatzschule. Damit sind faktisch informelle Bildungsmöglichkeiten und der Besuch einer Online-Schule unmöglich, obwohl damit auch in Deutschland anerkannte Abschlüsse erreicht werden können. Die Schulpflicht im Thüringer Schulgesetz ist insoweit verfassungs- und europarechtswidrig. Europaweit gibt es keine der deutschen Schulgebäudeanwesenheitspflicht vergleichbaren Regelungen. Die Regelungen sind nicht mehr zeitgemäß und widersprechen nicht nur dem Bildungskonzept des Thüringer Bildungsplans, sondern auch der Thüringer Verfassung, die in Art. 20 Abs. 1 einem jeden Menschen ein Recht auf Bildung zuerkennt. Art. 22 Abs. 1 VerfTH benennt als Aufgaben von Erziehung und Bildung unter anderem die Förderung selbständigen Denkens und Handelns, der Achtung vor der Würde des Menschen und der Toleranz gegenüber der Überzeugung anderer oder die Förderung der Anerkennung der Demokratie und Freiheit. Dies kann indes nur verwirklicht werden, wenn die Schulpflicht nicht länger ausnahmslos mit einer Schulgebäudeanwesenheitspflicht gleichgesetzt wird. Nur so kann auch die individuelle Förderung der jungen Menschen als „durchgängiges Prinzip des Lehrens uns Lernens“ (§ 2 Abs. 2 S. 1 ThürSchulG) umgesetzt werden .

Rechtliche Verfahren, in denen gebildete, zukunftsorientierte, achtsame junge Menschen selbstbestimmt „Nein“ zum Schulgebäudeanwesenheitszwang sagen, haben erheblich zugenommen. Dies zeigt, dass Änderungen an der Zeit sind und vergangene Erfahrungen nicht weiter allein als Maßstab zur Beurteilung und Gestaltung künftiger Entwicklungen herangezogen werden können. Die jungen Menschen lassen sich nicht länger als Objekte eines veralteten Beschulungssystems behandeln (die wie ein Paket – nur ein solches kann man verschicken - in die Schule geschickt werden sollen). Der Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre gibt ihnen diesbezüglich recht, wenn informelle Bildungsmöglichkeiten ausdrücklich gefordert werden.

Richtet sich die Petition auf die Änderung eines Gesetzes? Wie und warum soll das Gesetz geändert werden?

Die Petition richtet sich auf die Änderung des Thüringer Schulgesetzes und von Gesetzen und Verordnungen, die damit im Zusammenhang stehen und ggf. angepasst werden müssen. Ein Gesetzentwurf ist erarbeitet worden.

Mit den Änderungen werden vor allem informelle Bildungsmöglichkeiten etabliert und damit Ausnahmen von der Anwesenheit in einem Schulgebäude geschaffen.

Die Gründe sind bereits umrissen worden. Gemäß Thüringer Bildungsplan bis 18 Jahre (TBP-18) sollen neben formellen Bildungsprozessen gleichermaßen informelle Prozesse Berücksichtigung finden. Bildungsprozesse sind konzeptneutral und institutionenübergreifend anzulegen. Im Bildungsplan heißt es: "Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen!" (S. 8). Nach diesem zeitgemäßen Bildungsverständnis ist dabei vor allem "entscheidend, dass Lernprozesse überall und jederzeit stattfinden können und nicht immer den geplanten Abläufen folgen.“ Es kann nicht das Selbstverständnis und Aufgabe von Schule und Unterricht sein, darauf zu warten, dass junge Menschen in die Schule kommen, die zu den vorhandenen Angeboten passen. Gefordert wird sowohl an dieser Stelle, als auch im Bildungsplan, passende Bildungsangebote für junge Menschen zu gestalten, die gerade auch das informelle Lernen mit einbezieht (vgl. TBP-18, S. 34): „Mit einem Bildungsverständnis, das die Perspektive des Individuums in den Mittelpunkt der Bildungsförderung stellt, ist Partizipation ein notwendiges Grundprinzip in der pädagogischen Arbeit und damit ein wesentliches Qualitätsmerkmal. Kinder und Jugendliche erleben zu lassen, dass sie gefragt und eingebunden sind, dass ihre Meinung zählt und ihr Mitentscheiden wirklich gewollt ist, befähigt sie zu einem demokratischen Lebensstil. Sie lernen, selbstbestimmt ihr Leben zu gestalten, erfahren dabei Grenzen des Möglichen und werden fähig, eigenes Tun mit dem der anderen abzustimmen. Auf diese Weise werden Kinder und Jugendliche motiviert, Lösungen auszuhandeln bzw. zu vermitteln, zu entscheiden und Verantwortung für ihr eigenes Handeln und das ihres Umfeldes zu übernehmen“ (ebd. S. 40). Weiter wird betont: „ Je mehr Freiräume Kindern und Jugendlichen zustehen, desto kompetenter lernen sie, ihren Umgang mit anderen bzw. mit einer bestimmten Gruppe zu gestalten. Mit dem Erfolg ihrer aktiven Einflussnahme auf den Lebensalltag eröffnen sich vielfältigere Handlungsmöglichkeiten. Um eine ernsthafte Beteiligung der Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen, sind alle Erziehungspartner angehalten, für die notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen.“ Mit der hier vorliegenden Änderung des Thüringer Schulgesetzes sollen diese Rahmenbedingungen geschaffen werden. 

Welche Rechtsbehelfe wurden in dieser Sache bereits eingereicht?

Zu dieser Thematik sind in den vergangenen Monaten/Jahren von den jungen Menschen verschiedene Klagen vor den thüringischen Gerichten eingereicht worden. Eine kleine Anfrage zu einem Überblick über diese Verfahren ist gestellt worden.  

Verteilung der digitalen Mitzeichnungen